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Semper, Gottfried
Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder praktische Ästhetik: ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde (Band 1): Die textile Kunst für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst — Frankfurt a.M., 1860

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https://doi.org/10.11588/diglit.1299#0156
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Textile Kunst. Die Decke; Pelzwerk und Leder. jjrj[

den der ersteren mit dem Schwinden der letzteren bei starkem
Feuer gleichen Schritt halte.

Wir sehen auch an diesen lehrreichen Beispielen, dass der
Stil in den Künsten zum Theil aus dem geschickten Sichfügen in
die unvermeidlichen Mängel und Unvollkommenheiten der Stoffe und
Mittel hervorgehe, die zu der Erreichung eines Zweckes dienen,
dass oft das ganze Geheimniss darin bestehe, aus der Noth eine
Tugend zu machen und ihr nicht in das Gesicht zu schlagen.

Für europäisches Fusszeug, wie es einmal ist, bleibt immer
noch die Stiefelwichse, dieser äusserst dünne und leicht dar-
stellbare Lack, das stilgerechteste Glanzmittel. — Die von den
Ungarn im 12ten Jahrh. angeblich erfundene Weissgerberei (wo-
bei Alaun die Stelle des vegetabilischen Gerbstoffes ersetzt) pro-
ducirt, das weisse geschmeidige Handschuhleder; diesem verwandt
ist das Semischleder, welches bloss durch Walken und sonstige
gewaltsame Behandlung unter Beihülfe der Kleve und des thier-
ischen Fettes gargemacht wird. Pas letztere ist auf beiden Seiten
rauh, weil die Narbe abgestossen wird. Besondere Sorten sind
das altberühmte ungarische Leder, das feine glänzende Erlanger
Leder, das französische und besonders auch das dänische. Einige
davon ertragen das Waschen, andere nicht; alle sind nicht wasser-
dicht, sondern saugen das Wasser wie Schwamm in sich auf.
Diesen Stoffen gehört der Lederhosenstil und der Glanzhandschuh-
stil an, der seine eigenen Gesetze hat, die hier aber nicht weiter
zu verfolgen sind.

Wichtiger für unseren Zweck sind die rothgegerbten Pferde-
häute, deren ansehnlicher Umfang, deren kräftiges und regelmäs-
siges natürliches Korn der Narbenseite, deren gleichfalls ange-
nehme und sammtartige Textur auf der Fleischseite, deren milde
Chamoisfarbe endlich sie zu der Benützung als Wandbekleidung
und als Möbelüberzüge besonders geeignet macht. Man soll diese
Eigenschaften des Eossleders bei dessen Benützung möglichst her-
vorheben, nicht verstecken, und den kanadischen Gerberstil, von
dem oben die Rede war, dabei zum Vorbilde nehmen, das heisst,
dessen Prinzip beobachten. Dieses gilt vorzüglich auch von den
Nähten und Verbindungen der Theile, die nicht zu verstecken,
sondern freimüthig zu akküsiren sind.
 
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