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Semper, Gottfried
Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder praktische Ästhetik: ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde (Band 1): Die textile Kunst für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst — Frankfurt a.M., 1860

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https://doi.org/10.11588/diglit.67642#0071
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Textile Kunst. Das Band.

21

An den Begriff binden schliesst sich der des Verbindens.
Das Verbundene zeigt sich als etwas, das ursprünglich getrennt
war. Das Bandwerk findet daher seine Stelle dort, wo verbun-
den und gegliedert wird. Es dient dazu, das für sich einheitliche
Wesen der Theile und zugleich deren Beziehungen zu dem Ganzen
hervorzuheben und die Gliederung zu markiren.
Der Saum und die Naht sind Bänder, die nicht nach der
Länge, sondern nach der Quere gespannt sind und halten. Sie
und ihre allgemeinen Stilerfordernisse sind hinter dem zunächst
Folgenden über das Gewand und die Decke zu behandeln.
§• 7-
Flatternder Bandschmuck.
Den Gegensatz der vorher berührten Typen bildet der flat-
ternde Bandschmuck, das Troddelwerk und sonstiges textiles Be-
hänge. Sie sind Symbole der Ungebundenheit und dienen
als solche in der Toilettenkunst. Sie sind zugleich unerschöpf-
liche Hülfsmittel, um die Richtung und die Bewegung einer
Gestalt angemessen 1 zu accentuiren. Je nach der grösseren oder
geringeren Leichtigkeit der dazu gewählten Stoffe und dem Grade
ihrer Geschmeidigkeit muss die Wellenbewegung der Bandzierden
von der Bewegung desjenigen, der sie trägt, mehr oder weniger
unabhängig werden, so dass nicht, wie es bei dem schweren Be-
hänge der Fall ist, jede kurze zufällige Wendung durch sie re-
producirt wird, sondern sich nur die Richtung und der Grad der
Geschwindigkeit, mit welcher diese Richtung verfolgt wird, sowie
die grösseren gesetzlichen Wendungen des Bebänderten in ihrem
Flattern verdeutlichen und betonen. Diess ist maassgebend für
den Stil, der diesen Zierden je nach ihrer Bestimmung zu geben ist.
Zuerst sind die Verzierungen und Stickereien des Bandschmuckes
dessen allgemeinem beweglichen Charakter entsprechend zu wählen,
nämlich sich mit der Bewegung abrollend. Als Beispiel seien die
Flaggen und Wimpel angeführt. Diese sind oft so gewählt, dass
ihre Farbenstreifen nicht parallel mit der Entwicklung, sondern
der Quere laufen, welches allem Stile widerspricht. Eine solche
Flagge ist fast immer unklar, d. h. es verbirgt sich ein integri-
render Bestandtheil des Farbensystemes, ohne welchen letzteres in
' Siehe Vorrede.
 
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