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Semper, Gottfried
Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder praktische Ästhetik: ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde (Band 1): Die textile Kunst für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst — Frankfurt a.M., 1860

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https://doi.org/10.11588/diglit.67642#0101
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Textile Kunst. Die Decke.

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kelheit so abzuwägen, dass die Opposition der beiden Extreme,
nämlich des weissen und schwarzen Grundes, dadurch bis zu einem
bestimmten Grade, der von Umständen abhängt, nivellirt wird.
Ist das Weiss und Schwarz als Grund gleich vertheilt, so nivelliren
sie sich von selbst, doch lässt sich farbige Ornamentation damit in
Verbindung setzen, die nach dem früher entwickelten Prinzipe der
mittleren Proportionalität in sich selbst Auflösung findet und zu-
gleich durch den Kontrast des Hell und Dunkel auf Dunkel und
Hell den etwa zu hart erscheinenden Gegensatz der gleichvertheil-
ten Gründe mildern darf. Für die schwarzen und weissen Gründe
tritt auch oft ein neutraler grauer Grundton ein, der bei der Far-
ben vertheilung nach dem Gesetze der mittleren Proportionalität
nicht mitzählt, so dass nur der von Arabesken und Mustern be-
deckte Theil dieses Grundes die lßtheilige Flächeneinheit bildet,
in welcher sich die drei Hauptfarben des Ornamentes nach dem
Gesetze der mittleren Proportionalität zu theilen haben. Jedoch
wird bei ähnlichen Combinationen stets eine besondere Stimmung
der Farben nothwendig, da der neutrale Grund stets in die eine
oder die andere Grundfarbe hineinspielt, so dass er auch als
Farbe thätig wird.
Das Schwarz und Weiss dient in der orientalischen Polychromie
auch oft als Vermittlung, und zwar vorzugsweise zur Umrän-
derung der farbigen Parthieen und ihrer inneren Details, eine sehr
wirksame Methode, den Theilen der Flächendekoration im Ein-
zelnen mehr Geltung zu verschaffen und doch gleichsam wie durch
ein über das Ganze gespanntes feines Netzwerk die Gesammtein-
heit zu erhöhen. Die Wahl zwischen Schwarz und Weiss als Um-
ränderung ist nicht immer leicht zu treffen, obschon im Ganzen,
wie sich von selbst versteht, das Dunkle hell, das Helle dunkel
zu umrändern ist. Es kommt dabei aber in Betracht (und dieses
erschwert die Wahl der Umränderung), dass Helles noch heller,
Dunkles noch dunkler wird, wenn man jenes mit Schwarz, dieses
mit Weiss umrändert.
Für das Schwarz und Weiss tritt auch das (satte neutrale in-
dische) Roth an die Stelle und wird als Umränderung benutzt.
Noch häufiger und reicher ist die Umränderung mit goldenen oder
silbernen Fäden. Das Gold kann gleich dem Schwarz und dem
Weiss neutral sein und wird dann ebenso benutzt, wie Schwarz
und Weiss, nämlich als Grund und als Einfassung. Dieses kost-
 
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