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Semper, Gottfried
Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder praktische Ästhetik: ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde (Band 1): Die textile Kunst für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst — Frankfurt a.M., 1860

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https://doi.org/10.11588/diglit.67642#0156
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Viertes Hauptstück.

Leder machte man, sondern auch feine, gepresste und gefärbte,
mit gestickten Nähten versehene Kleidungsstücke und Geräthe
aus dem genannten Stoffe waren bei diesen Völkern beliebte
Luxusartikel. Die babylonischen und persischen Leder, wahr-
scheinlich den Saffianen und Corduanen der späteren arabischen
Erben der uralten Civilisation Westasiens ähnlich, waren seit
undenklichen Zeiten berühmt.
Pelz- und Lederwaaren werden auch schon in den ältesten Ur-
kunden Indiens genannt. Im Ramajan (I. p. 605) schenkte der
König von Videha seiner Tochter Sita unter anderen herrlichen
Stoffen aus Seide und Wolle auch Pelzwerk. Nach dem Periplous
scheint jedoch das Pelzwerk aus Serika (China) eingeführt worden
zu sein. Gewiss sind jene schöngepressten Schilde und sonstigen
Schutzwaffen aus gegerbtem Leder, besonders aus Rhinoceroshaut,
die wir in den indischen Sammlungen bewundern, eine uralte
Erfindung.
Die berüchtigten Bärenhäuter, die Germanen, galten als sehr
geschickte Kürschner und Gerber und übertrafen in diesen
Künsten ihre hochkultivirten Nachbarn des Südens von Eu-
ropa. 1 Ihre Pelze waren sehr verschieden von denen der römi-
schen Hirten, die der Sage nach in ältester Zeit Roms vor Ein-
führung des Tuches auch von den Senatoren getragen wurden
und deren Form sich bis auf den heutigen Tag bei den Hirten
der Campagna von Rom erhielt. Die lanuvinische Juno trägt den
rohen latinischen Schafpelz als Abzeichen einer eingeborenen Gott-
heit des Landes. Dagegen waren die Pelzkittel der Germanen
kunstvoll gearbeitet, wohl gegerbt, nach dem Leibe zugeschnitten
und mit schön gestickten Nähten versehen. Das Rauhe war nach
Innen gekehrt und nur an den Rändern waren sie mit kostbarerem
Rauhwerke verbrämt. Sie hiessen Renones (Rennthierpelze), waren
wahrscheinlich den kanadischen Lederpelzen sehr ähnlich und ein
gesuchter Handelsartikel zur Zeit des römischen Verfalls.
1 Vorzüglich waren es die von der westlichen Meeresküste entfernter woh-
nenden Stämme, die in der Kürschnerei sich auszeichneten. (Tacit. Germ,
cp. 17.) „Sie wählen sich die Thiere aus, welche die feinsten Pelze haben, und
mustern die abgezogenen Felle mit aufgehefteten Fleckchen (maculis) aus an-
deren Thierfellen (oder nach einer andern Version aus. Fellen von Seethieren),
die von dem nördlichen Ocean und dem unbekannten Meere herkommen.“
Vergl. darüber den Artikel über die Naht, weiter oben.
 
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