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Semper, Gottfried
Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder praktische Ästhetik: ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde (Band 1): Die textile Kunst für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst — Frankfurt a.M., 1860

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https://doi.org/10.11588/diglit.67642#0271
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Textile Kunst. Das Prinzip der Bekleidung in der Baukunst. 221
dasjenige welches sein besonderer Inhalt ist, für die Bildnerei
der Hellenen nämlich.
Hätte der berühmte Verfasser desselben den innigen Zusam-
menhang der in der Blüthezeit der Griechen herrschenden Vor-
liebe für polychrome chryselephantine Kolossalbildwerke mit
einem uralten auch in Griechenland verbreiteten allgemeinen In-
krustationsprinzipe nachgewiesen, welches nicht bloss die Bild-
nerei sondern auch die Baukunst beherrschte, (und' zwar nicht
bloss die Dekoration, sondern das innerste Wesen dieser Kunst
bedingend,) hätte er gezeigt wie unter anderen Stoffen die zu
Inkrustirungen benützt wurden, als Holz, Metall, Terrakotta,
Stein, Stuck etc., auch seit ältester Zeit das gefärbte Elfenbein
zu demselben Zweck im Gebrauch war, wie ferner aus diesem
Gebrauche auf Bildnerei im Grossen angewandt die chrysele-
phantinen Statuen hervorgingen, so hätte ihn diess zu noch wich-
tigeren und allgemeineren Resultaten geführt als seine vortreff-
liche Abhandlung jetzt schon enthält, in der eigentlich ein um-
gekehrtes Verfahren verfolgt und nachgewiesen wird, dass die Ab-
sicht Kolossalbilder in Elfenbein oder ähnlichen Stoffen die nicht
in grossen Stücken gewonnen werden können zu bilden, notH-
wendig zu derjenigen Technik führen musste deren Beschreibung
und Wiedererweckung ihm als Hauptzweck seiner Arbeit galt. 1
Wenn schon in dieser Beziehung die Arbeit für unser In-
teresse nicht genügt, so ist sie für dasselbe dennoch von höchster
Bedeutung, besonders auch wegen deren praktischer Tendenz,
wonach uns die Form nicht als Fertiges nach der Schule ästhe-
tischer Idealität gleichsam vorgeritten wird, sondern das Verständ-
niss der Kunstform und der hohen Idee welche in ihr lebt uns
aufgeht, während Beides als unzertren lieh von dem Stoffe und
von der technischen Ausführung behandelt und gezeigt wird, wie
sich hellenischer Geist eben in der freiesten Beherrschung beider,
sowie der alt-geheiligten Ueberlieferung, kund gibt.
Ungefähr gleichzeitig mit dem Jupiter Olympien, oder etwas
früher, erschien das grosse Werk über Aegypten, ein Resultat
der Arbeiten der Gelehrten und Künstler, welche Bonaparte’s
Expedition nach jenem Lande begleiteten. Dieses Werk enthält
1 Le Jupiter Olympien ou l’Art de la sculpture antique considere dans un
nouveau point de vue, par Quatremere de Quincy. Paris 1815. Avant-propos
p. X. sqq. und passim.
 
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