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Semper, Gottfried
Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder praktische Ästhetik: ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde (Band 1): Die textile Kunst für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst — Frankfurt a.M., 1860

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https://doi.org/10.11588/diglit.67642#0488
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440

Viertes Hauptstück.

Systeme der Ornamentatiou, die nicht mehr plastisch war, hervor-
rief, die auch auf die Baukunst riickwirkte. Die Römer aber be-
harrten, wie ich zeigen werde, selbst nach der Einführung der
Scheibe getreulich bei dem alten plastischen Ornamente, es nach

Mykenische Topfscherben.


den Mitteln, die sich nun darboten, umbildend, und diese Tradition
behält auch in der römischen Architektur, im Gegensatz zu der
griechischen, ihren Ausdruck. Wie die Säulen sind auch die grü-
nen, weissen und rothen Marmorplatten, die als Antepagmente
(Gewände) in mehrfachen Bahnen rings um die Thür des Atriden-
monumentes herumliefen,2 mit Schilden, Wellenlinien, Agraffen
und Rosetten reichlich geschmückt, oder vielmehr vollstän-
dig damit überdeckt. — Ueberall dasselbe Bekleidungsprinzip,
nur die Stoffe verschieden. Das Dauerhafteste, der Stein, mit-
unter die Terrakottaplatte, blieb übrig, das Vergängliche ist ver-
schwunden und War desshalb für den „Besonnenen“ niemals da.
An dem jetzt besprochenen Monumente haben sich aber zum
Glück ein paar Nägel und selbst Stücke der Bronzebekleidung
erhalten, die das Ganze, selbst die Aussenseite soweit sie sicht-
bar blieb und nicht in Erde vergraben war, mit reicher Caelatur
in dem Stile der steinernen Platten der Thürgewände überzog.
Der Tempel von Assos gab Gelegenheit zu beobachten wTie
der frühe Stil das Epistyl so darstellt als wäre der Strukturkern
mit einem Antepagma von getriebenem Metall umgeben; jetzt, bei
2me partie pag. 80. Die diesem Aufsatze beigefügten Darstellungen mykeni-
scher Topfscherben habe ich zu dem beistehenden Holzschnitte benützt.
2 Die Restitution durch Donaldson in den Antiq. of Athens Suppl. p. 25
lässt gerade diese Thiirumfassungen unbekleidet, obschon eine doppelte Ver-
tiefung, die rings herumläuft, deutlich genug den Zweck verräth wesshalb sie
ausgehauen wurde, nämlich zur Aufnahme der genannten Marmorfriese.
 
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