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Thorsculpturen — Ausgrabungen in Sendschirli, 3: Berlin: Druck und Verlag von Georg Reimer, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.49504#0042
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236

F. v. Luschan, Bildwerke des Quermauerthors.

an diese wiederum, nach hinten und unten gerichtet, die Schnurhaare. Der Rachen ist
wesentlich weiter geöffnet als bei den Thieren alten Stils; die Eckzähne sind nicht mehr die
schematischen runden Kegel wie bei jenen, sondern mehr naturalistisch aufgefasst und leicht
hakenförmig gebogen. Oben sind noch immer acht Schneidezähne dargestellt — gegen sechs,
welche den Raubthieren in Wirklichkeit zukommen. Die unteren Schneidezähne sind wieder
von der herausgestreckten und über die Mitte der Kinngegend herabhängenden Zunge bedeckt.
Während bei den Löwen alten Stils die Brustgegend ohne Absatz in die Vorderbeine
übergeht, ist bei den überarbeiteten Thieren die Brust sehr stark vorgewölbt. Dies und die
grosse Halsmähne erweckt den Eindruck eines ganz besonders mächtigen Brustkastens und
überhaupt der höchsten Kraft, während die alten Löwen hauptsächlich nur durch ihre Masse
wirkten. Aehnlich wie der Kopf und der Rumpf sind auch die Beine der jüngeren Löwen
in wesentlich höherem Relief gehalten als die der alten.
Von den drei Löwen



Abb. 144 und 145. Bossen von in Front dargestellten Löwen, von der Seite gesehen.

alten Stils sind zwei in
Konstantinopel aufgestellt,
einer in Berlin; die Löwen
jüngeren Stils sind beide
nach Berlin gelangt.
Im Anhänge zu diesen
grossen Laibungslöwen
seien hier schliesslich noch
drei unvollendete Sculp-
turen erwähnt, welche nur
als Bossen von in Vorder-
ansicht dargestellten Löwen
aufgefasst werden können,
obwohl sie bei flüchtiger
Betrachtung zunächst wohl
eher für Bossen von ganz
spätrömischen oder byzan-
tinischen Frauenbüsten ge-
halten werden dürften.

Zwei von diesen mächtigen Blöcken, die hier Fig. 142 bis 145 abgebildet sind, wurden
in unmittelbarer Nähe des Quermauerthores gefunden. Dr. Koldewey zieht daher die
Möglichkeit in Erwägung, dass sie zu irgend einer Zeit mit zu dem Sculpturenschmuck
dieses Thores gehört haben, oder für denselben bestimmt waren.
Beide Stücke sind 1.63 m hoch, das eine ist 1.04 m, das andere 0.93 m breit.
Ein drittes, nur ganz wenig kleineres Stück ist etwa 45 m weiter nordöstlich, in
sehr bedeutender Tiefe, aber auch ohne irgend einen nachweisbaren Zusammenhang mit
einem Bauwerke gefunden worden.
Wegen der Grösse und dem sehr geringen Kunstwerth dieser Stücke sind sie nicht
transportirt, sondern alle drei an Ort und Stelle belassen worden. Ich würde sie hier gar
nicht erwähnen, wenn nicht mit der Möglichkeit zu rechnen wäre, dass sie vielleicht doch
in irgend einem Zusammenhang mit dem Thore der Quermauer stehen.
 
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