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Sieglin, Ernst von; Watzinger, Carl [Hrsg.]; Schreiber, Theodor [Hrsg.]
Expedition Ernst von Sieglin: Ausgrabungen in Alexandria (Band 2,1B): Malerei und Plastik — Leipzig, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.27682#0063
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MÄNNERKÖPFE

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die Reihe der römischen Köpfe dieses Mischstils. Man wird diese ersten Zeugen römi-
schen Einflusses vielleicht noch etwas schärfer, als es v. Bissing getan hat, von den
an die saitische Zeit anknüpfenden, bald aber griechisch beeinflussten spätägyptischen
Porträts zu trennen suchen. In Köpfen, wie denen des PsametichosSaNeit (v. Bissing,
Denkm., Abb. zuTafel 108a) und Berlin 8805 (v. Bissing a.a.O., Abb. zu Tafel 67),
den Ippel zutreffend um 3 50 datiert (Anzeiger 1921, 263), scheint mir die Formgebung
noch nicht aus der ägyptischen Tradition herauszuführen. Mit dem Hellenismus
setzt dann das Neue ein, das in den beiden Berliner grünen Köpfen (v. Bissing
a. a. O., Tafel 105 und 106) seine stärkste Ausprägung gefunden hat: das Erfassen
des Kopfes von innen heraus als einer plastischen Einheit auf Grund einer ver-
blüffenden Bewältigung des anatomischen Formengerüstes in Verbindung mit einer
immer realistischeren Behandlung der Oberfläche. Der Aufschwung der griechischen
Medizin in Alexandrien, auf den Curtius im Handbuch der Kunstwissenschaft I 207
hinweist, wird eine Parallelerscheinung sein; aber ohne ein wirkliches Erfassen
griechischer, lysippischer Kunst durch ägyptische Meister scheint mir dieser Wandel
der Formauffassung nicht verständlich. Ich vermag daher Ippel nicht zu folgen, wenn
er die beiden Köpfe um ein bis zwei Jahrhunderte älter als den Berliner Kopf Nr. 8805
datieren will. Das Eindringen der äusseren Formelemente des republikanischen
Porträts in die ägyptische Porträtkunst dürfte dann mit dem Niedergang der
griechischen Königsmacht und dem politischen Vordringen Roms in Ägypten Hand
in Hand gehen.

Mit der augustischen Zeit setzt in Ägypten derselbe Stilwandel ein wie in
Rom; der übertriebene Realismus macht einer ausgeglichenen Ruhe der Oberfläche
Platz. Attische Künstler wie Avianius Euander werden diesen Stil aus Athen nach
Ägypten wie später nach Rom gebracht haben1. In Ägypten fand er in den ein-
heimischen Ateliers um so bereitwilliger Aufnahme, als er in dieser Auffassung der
altägyptischen Plastik innerlich verwandt war. In dem Sieglinschen Kopf prägt sich
bereits der erneute Klassizismus der hadrianischen Zeit aus: die starken Falten im
Gesicht sind gemildert, die Stirn ist geglättet, die früher mageren Wangen sind voller
und runder. Auch die äusseren Formen entstammen der Zeit des Hadrian, die Augen
mit den weichen, bandartigen Lidern, die vollen Lippen und die Form des Bartes, der
den oberen Teil des Kinns freilässt und in kleine Löckchen aufgelöst ist. Unter den
anderen erhaltenen ägyptischen Porträtköpfen stehen der Basaltkopf der Sammlung
Barracco (Helbig, Tafel 74) und der wohl etwas jüngere der Sammlung Saburoff
(Furtwängler, Sammlung Saburoff, Tafel 45) dem Sieglinschen Kopf am nächsten;

1 Vgl. dazu Marx, Festschrift für Benndorf 37; Winter, Bonner Jahrbücher 128, 1923, 67.
 
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