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Sieglin, Ernst von; Watzinger, Carl [Hrsg.]; Schreiber, Theodor [Hrsg.]
Expedition Ernst von Sieglin: Ausgrabungen in Alexandria (Band 2,1B): Malerei und Plastik — Leipzig, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.27682#0119
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GÖTTER

9i

Statuette eine Stütze: Der Bildhauer deutet das Schweben der Göttin über dem
Meere durch die sie begleitenden und umspielenden Seewesen an und erinnert damit
an die Meergeburt der Göttin im Gemälde1.

Eine Reihe von römischen Statuen der Anadyomene stimmt in dem Motiv mit
dem alexandrinischen Kultbild völlig überein; die Formen sind aber flächenhafter
gegeben, der Körper erscheint schlanker und strenger, an die Stelle des praxitelischen
Schwunges der Bewegung ist hier eine mehr frontale Haltung getreten. Die Arme
sind gleichmässiger bewegt, auch der linke Arm mehr vom Körper gelöst. Wegen
dieser strengeren Gesamterscheinung und weil die Haltung der Arme an den
Diadumenos des Polyklet zu erinnern schien, hat Furtwängler an ein Original aus
peloponnesischem Kreise, etwa dem des Euphranor gedacht, das die römischen Kopien
wiedergeben sollen und das ebenfalls von der Aphrodite Anadyomene des Apelles
beeinflusst sei2. Aber schwerlich ist der strengere Rhythmus des Motivs, der doch
der polykletischen Kunst näher steht als dem Ende des 4. Jahrhunderts, unmittelbar
nach' Apelles noch möglich. Andererseits steht hinter der Behandlung der einzelnen
Teile des weiblichen Körpers die ganze Entwicklung des 4. Jahrhunderts, und ein
erhaltener Kopf dieses Typus wie der auf der Statue des Palazzo Doria kann in der
weichen verschwimmenden Oberflächenbehandlung kaum ohne Kenntnis des praxi-
telisch-alexandrinischen Typus geschaffen sein. Man kann also die Statue auch nicht
unmittelbar an die polykletische Schule anschliessen und vor der Anadyomene und
unabhängig von ihr entstanden sein lassen. Zwischen der Originalschöpfung der
Anadyomene aus dem Anfang des 3. Jahrhunderts und diesen römischen Kopien
wird ein klassizistisches Werk stehen, das in Rom vorbildlich geworden ist und mit
seiner Verschmelzung eines klassischen Stellungsmotivs mit naturalistischer Körper-
behandlung dem Geschmack der Zeit folgte.

Eine Bestätigung dieser Ansicht finde ich in dem anderen Typus einer Diadu-
mene, deren Urbild wohl ebenfalls nicht mehr der schöpferischen Zeit des Hellenis-
mus angehört und vielleicht gerade die Umwandlung des alexandrinischen Bildes
mit beeinflusst hat. Das Motiv gleicht bei den Werken dieses Typus dem des
Diadumenos, nicht nur in der Haltung der Arme, sondern auch darin, dass hier die
Hände nicht in das volle Gewoge des Haares greifen, sondern eine um den Kopf
gelegte Binde oder auch die Enden einer Haarschleife fest anziehen. Die Arme sind

1 Vgl. Habich a. a.O. 97, der noch das Seepferd neben der Anadyomene auf Münzen von Prusa anführt.

2 Furtwängler, Helbings Monatsberichte 14,1 ff. Hauptbeispiele dieser Reihe: Rom, Palazzo Doria, E.A. 2292;
Rom, Palazzo Colonna, E.A. 1144; Thermen des Caracalla, De Mot, Mon. Piot 1914 XXI 157, Fig. 2; München,
Sammlung Pringsheim, Furtwängler a. a. O., Tafel II.
 
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