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Sieglin, Ernst von; Watzinger, Carl [Editor]; Schreiber, Theodor [Editor]
Expedition Ernst von Sieglin: Ausgrabungen in Alexandria (Band 2,1B): Malerei und Plastik — Leipzig, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.27682#0136
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TORSEN, STATUETTEN, FRAGMENTE

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dem Ellbogen, grosse und kleine Zehe am rechten Fuss mit dem vorderen Rande der
Sandale und kleine Zehe am linken Fuss. Einzelne Gewandfalten, besonders unter-
halb des linken Armes, bestossen. Der Hals zeigt eine glatte Anschlussfläche mit
Dübelloch in der Mitte von 1,5 cm Dm. und 2,5 cm Tiefe. Der antike Kopf war
also für sich gearbeitet und aufgesetzt. Die Rückseite ist weniger sorgfältig aus-
geführt; auf dem rechten Schulterblatt ein Bohrloch von 0,8 cm Dm. und 2 cm Tiefe.
Rote Farbspuren an den Sandalen und an den Füssen. Die Göttin steht fest auf
dem linken Bein mit etwas vor- und zur Seite gesetztem rechtem Bein, gekleidet in
einen langen bis auf die Plinthe herabfallenden Chiton, dessen geknöpfte Schein-
ärmel auf dem rechten Oberarm deutlich sind, und in einen Mantel mit Überschlag,
der zur linken Hüfte emporgerafft ist, hier vom linken Arm angepresst wird und in
schweren Faltenmassen über den linken Arm herabfällt. Ein vom Rücken kommender
Zipfel hängt von der linken Schulter zwischen Brust und Arm herunter.

Die Statuette ist als jüngere Umbildung des Motivs der Kora Albani (vgl. zu-
letzt Schräder, Phidias 49 ff.) aufzufassen, von der in der Statuette im Akropolis-
museum Nr. 1310 (Bulle, Der schöne Mensch 72, Tafel 128; Casson, Catalogue
of the Akropolismuseum II 221) eine weitere Wiederholung vorliegt. Aus der
innigeren Verschmelzung von Körper und Gewand, worin sich die Einwirkung der
phidiasischen Schule offenbart, erklären sich die Veränderungen in der Gewand-
anordnung und damit die freiere Erscheinung und das stärkere Hervortreten des
Aktes. Der Überschlag ist beseitigt, die Falten des Kolpos sind zur Seite geschoben
und die Gürtung sichtbar gemacht, unter der sich die Falten des Chitons dem Leibe
anschmiegen. Auch die Falten des übergeschlagenen Mantelteils passen sich weicher
dem Kontur des Leibes an. Der über die linke Schulter fallende Mantelzipfel ist nach
aussen geschoben und lässt den Kontur der Brust auch an der linken Seite deutlich
werden. Durch die Loslösung des rechten Knies, die Vereinfachung der Falten auf
seiner Oberfläche und die tiefere Unterschneidung der Falten an der Seite tritt das
rechte Bein freier heraus und in stärkeren Gegensatz zu dem von den Steilfalten
verhüllten Standbein, neben dem die herabfallende Mantelmasse sich breiter entwickelt.
Die jüngeren Züge, die uns von attischen Reliefs aus dem Ende des 5. Jahrhunderts
vertraut sind (vgl. z. B. Akropolismuseum Nr. 1348; Ephemeris 1893, Tafel VIII;
Casson a. a. O. II 253 f.), verweisen das Original in den Kreis der attischen Kunst der
nachphidiasischen Epoche. Der römische Künstler der Sieglinschen Statuette hat
in die verkleinerte Kopie durch die Zufügung der Knopfärmel am rechten Arme, die
ungeschickte Wiedergabe der Falten zwischen den Brüsten und die übertriebene
 
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