Sinne rechtfertigen wollten. Wir haben davon noch immer wenig oder nichts,
man kann sagen, seit Klingers Radierungen zu Amor und Psyche haben wir
ein künstlerisches Buch jener Art nicht wieder erlebt.
Natürlich wird man entgegnen, wir haben kein Publikum für solche Dinge.
Das ist erfahrungsgemäß ein Irrtum. Der Kreis der Liebhaber, die für Bücher
beträchtliche Summen aufwenden, ist auch bei uns bereits viel größer, als
man gemeinhin annimmt, nur daß sie ihre Bedürfnisse allermeist im Ausland
befriedigen müssen. Sind doch selbst Bizarrerien wie die Liebhaberausgaben
der Inselpublikationen im Umsehen verkauft worden.
Ich halte solche Buchkunst im allerstrengsten Sinne des Wortes nach wie
vor für wichtig, nicht nur weil sie ein Liebhaberpublikum an hohe Ansprüche
gewöhnen kann, sondern weil sie überhaupt den Maßstab, auch bei den
Produzierenden, hinaufrückt. Wir sind so unendlich anspruchslos in diesem
Punkte: ein paar dilettantische Blätterranken in Strichmanier gezeichnet, in
Zink hochgeätzt, halten wir schon für eine besondere Sache. Ich gestehe
ehrlich, mir wird bei Prachtwerken zu 80 Pfennigen und Liebhaberbänden
zu 2 Mark etwas unheimlich zu Mute. Ganz gute Bücher werden und müssen
teuer sein. Haben wir aber erst wieder Verleger und Künstler, die ein teueres
Buch herzustellen wagen, weil sie wissen, wie ein ganz gutes Buch eigentlich
aussehen kann, so wird sich auch das Publikum an diesen Anblick gewöhnen,
und es wird auch die Dutzendware besser werden. Daß ich dabei nicht
meine, das allereinfachste, das ohne jeden Schmuck nur gut gesetzte Buch
könne nicht künstlerisch wirken, das werde ich weiter unten ausführlich dar-
zulegen haben.
An dieser Stelle muß ich noch ein paar Worte über den Holzschnitt nach-
tragen. Es war schon davon die Rede, wie er, soweit er Künstlerholzschnitt
ist, d. h. vom Künstler selbst auf den Stock entworfen und geschnitten, im
Buche bei uns keine Rolle spielt. Ich muß das sagen, obwohl ich die Buch-
holzschnitte von E. R. Weiß kenne. Ich gestehe, daß ich mich mit ihnen nicht
befreunden kann, so hoch ich den Künstler sonst schätze. Ich kann mir nicht
denken, daß diese Undefinierten, form- und raumlosen Kompositionen, deren
symbolischer Gehalt mir außerdem fast ausnahmslos rätselhaft bleibt, Aussicht
auf Zukunft hätten. Manches zeigt auch für mein Verständnis unleugbar künst-
lerische Qualität. Aber zum allermeisten finde ich, ehrlich gestanden, gar kein
Verhältnis. Liegt das nur an mir, oder ist für den Holzschnitt, zümal im Buche,
nicht doch einfache Klarheit ein unabweis-
bares Gebot? Sehen wir aber von jenen
Arbeiten ab, so bleibt wie gesagt nichts
übrig, was in das Kapitel „Künstler-Holz-
schnitt im Buche" gehört. Und das ist doch
sehr auffallend. Wenn wir an Stuttgarter
Buchgewerbe denken, stellt sich unwill-
kürlich die Erinnerung ein an jene Zeit,
da von Stuttgart eine Neubelebung
unseres Holzschnittes ausging. Mag man
damals auch erste Anregungen aus
Frankreich empfangen haben, was dann
unter den Händen eines Cloß und
Fritz Endeil, Stuttgart. Vignette, Originalholzschnitt.
Kautzsch,
Die Kunst
im württ.
Buch-
gewerbe.
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man kann sagen, seit Klingers Radierungen zu Amor und Psyche haben wir
ein künstlerisches Buch jener Art nicht wieder erlebt.
Natürlich wird man entgegnen, wir haben kein Publikum für solche Dinge.
Das ist erfahrungsgemäß ein Irrtum. Der Kreis der Liebhaber, die für Bücher
beträchtliche Summen aufwenden, ist auch bei uns bereits viel größer, als
man gemeinhin annimmt, nur daß sie ihre Bedürfnisse allermeist im Ausland
befriedigen müssen. Sind doch selbst Bizarrerien wie die Liebhaberausgaben
der Inselpublikationen im Umsehen verkauft worden.
Ich halte solche Buchkunst im allerstrengsten Sinne des Wortes nach wie
vor für wichtig, nicht nur weil sie ein Liebhaberpublikum an hohe Ansprüche
gewöhnen kann, sondern weil sie überhaupt den Maßstab, auch bei den
Produzierenden, hinaufrückt. Wir sind so unendlich anspruchslos in diesem
Punkte: ein paar dilettantische Blätterranken in Strichmanier gezeichnet, in
Zink hochgeätzt, halten wir schon für eine besondere Sache. Ich gestehe
ehrlich, mir wird bei Prachtwerken zu 80 Pfennigen und Liebhaberbänden
zu 2 Mark etwas unheimlich zu Mute. Ganz gute Bücher werden und müssen
teuer sein. Haben wir aber erst wieder Verleger und Künstler, die ein teueres
Buch herzustellen wagen, weil sie wissen, wie ein ganz gutes Buch eigentlich
aussehen kann, so wird sich auch das Publikum an diesen Anblick gewöhnen,
und es wird auch die Dutzendware besser werden. Daß ich dabei nicht
meine, das allereinfachste, das ohne jeden Schmuck nur gut gesetzte Buch
könne nicht künstlerisch wirken, das werde ich weiter unten ausführlich dar-
zulegen haben.
An dieser Stelle muß ich noch ein paar Worte über den Holzschnitt nach-
tragen. Es war schon davon die Rede, wie er, soweit er Künstlerholzschnitt
ist, d. h. vom Künstler selbst auf den Stock entworfen und geschnitten, im
Buche bei uns keine Rolle spielt. Ich muß das sagen, obwohl ich die Buch-
holzschnitte von E. R. Weiß kenne. Ich gestehe, daß ich mich mit ihnen nicht
befreunden kann, so hoch ich den Künstler sonst schätze. Ich kann mir nicht
denken, daß diese Undefinierten, form- und raumlosen Kompositionen, deren
symbolischer Gehalt mir außerdem fast ausnahmslos rätselhaft bleibt, Aussicht
auf Zukunft hätten. Manches zeigt auch für mein Verständnis unleugbar künst-
lerische Qualität. Aber zum allermeisten finde ich, ehrlich gestanden, gar kein
Verhältnis. Liegt das nur an mir, oder ist für den Holzschnitt, zümal im Buche,
nicht doch einfache Klarheit ein unabweis-
bares Gebot? Sehen wir aber von jenen
Arbeiten ab, so bleibt wie gesagt nichts
übrig, was in das Kapitel „Künstler-Holz-
schnitt im Buche" gehört. Und das ist doch
sehr auffallend. Wenn wir an Stuttgarter
Buchgewerbe denken, stellt sich unwill-
kürlich die Erinnerung ein an jene Zeit,
da von Stuttgart eine Neubelebung
unseres Holzschnittes ausging. Mag man
damals auch erste Anregungen aus
Frankreich empfangen haben, was dann
unter den Händen eines Cloß und
Fritz Endeil, Stuttgart. Vignette, Originalholzschnitt.
Kautzsch,
Die Kunst
im württ.
Buch-
gewerbe.
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