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Stuttgarter Mitteilungen über Kunst und Gewerbe — 1904-1905

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Die Kunst im württembergischen Buchgewerbe: nach der Ausstellung des Jahres 1904
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https://doi.org/10.11588/diglit.6370#0017
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Kautzsch, fc^^^JTucn die Illustration im allgemeinen zeigt kein erfreuliches Bild.
Die Kunst I Noch immer herrscht die entsetzliche Sitte, Tuschzeichnungen

im württ. O^fes [ ^Ül I 0(^er Aquarelle mittels Autotypie zu reproduzieren und so ins
Buch- ö^ip^C'FV^ Buch zu setzen. Diese sogenannten Illustrationen sind nun ganz

gewerbe. C^^^^O^^lbildmäßig gedacht. Ihr Wert, soweit sie überhaupt einen haben,
CjX^^^W^^») beruht lediglich auf ihren malerischen Qualitäten. Die Charak-
(°5ö^>^MCPSteristik ist ganz stumpf: auch nicht um einen Zug bereichern
sie unsere Vorstellung von den Menschen und Dingen, von denen der Text
spricht. Man denke einmal an Holbein oder Menzel, wie die illustrieren,
wie da ein Wort, eine Wendung des Textes aufgegriffen und zum Ausgangs-
punkt einer geistvollen Glosse gemacht wird, wie einzelnen Situationen neue
Seiten abgewonnen werden, die in besonders hohem Maße für die Helden
der Geschichte charakteristisch sind, wie einzelne Gestalten aufgefaßt, mit
köstlicher Sicherheit so hingestellt werden, daß sie plötzlich in uns sprechendes
Leben gewinnen. Und das alles so wenig aufdringlich wie möglich in Bildchen,
die als Vignetten, als Kopf- oder Schlußstücke wirken. Hier dagegen wird
stets ein Bildausschnitt gegeben mit all den Zufälligkeiten, die die bildmäßig,
ganz malerisch gedachte Situation verlangt. Und dabei werden Handlungen,
Bewegungen, innere wie äußere, zur Nebensache. Der Ausdruck ist nichts-
sagend, die Gestikulation lahm. Die Menschen sehen aus wie Modebilder aus
dem Prospekt irgend eines Konfektionsgeschäftes. Woher diese Unfähigkeit zu
illustrieren rührt, ist ohne weiteres klar. Die Malerei hat alle Kräfte auf-
gesogen. Man zeichnet, man charakterisiert nicht mehr: wie sollte man da
illustrieren können! Denn Illustration steht und fällt mit der zeichnenden Kunst.
Jene ganze Bilderwirtschaft wiegt federleicht gegenüber einer einzigen Zeichnung
Adolf Menzels. Man mag dieses Urteil angesichts verschiedener Bände, die
die Ausstellung bietet, nachprüfen: es ist doch bezeichnend, daß jedes Mehr
an zeichnerischer Manier dem künstlerischen Charakter der Illustration zweifel-
los zu gute kommt. Man vergleiche A. Langhammers Federzeichnungen, so
mäßig sie an sich sind, mit den Bildern von Rene Reinicke, der an sich
zweifellos das feinere Auge hat. Jene wirken im Buch günstiger als diese. Und
zieht man vollends die eigentlichen Zeichnungen älterer Meister, so die illu-
strierten Initialen und Vignetten in den Scheffelbüchern (siehe oben), oder gar
die Menzels im Zerbrochenen Krug (aber nicht die Ganzseitenbilder) heran,
so wird man deutlich empfinden, was zeichnende Kunst, eigentliche Illustration
bedeutet gegenüber jenen getuschten Bildchen.

Zu den inneren Mängeln kommen noch äußere. Die rußige Autotypie wirkt
vernichtend auf den künstlerischen Gesamteindruck. Niemals gehen diese tonigen
grauschwarzen Flächen mit der Schrift zu einer Einheit zusammen, am
wenigsten, wenn sie wie hingetuscht mit verlaufenden Rändern, wie zufällige
Ausschnitte aus einem größeren Ganzen, in den Text gesetzt werden. Es wird
dabei bleiben: so notwendig und unentbehrlich uns vorläufig noch die Auto-
typie zu jeder Art von sachlicher, wissenschaftlicher Illustration ist, so wenig
läßt sie sich da verwenden, wo ein einheitlicher, künstlerisch befriedigender
Gesamteindruck im Buche angestrebt wird, so ungeeignet ist sie für die
künstlerische Illustration.

An die Stelle der Autotypie hat man denn auch in zunehmendem Maße
die Strichzeichnung (in Zink hochgeätzt) treten lassen, nicht immer mit Glück.

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