Bernhard Pankok, Stuttgart, Illustration zu Julius Hart, Stimmen in der
Nacht, S. 3. Verlegt bei Eugen Diederichs in Leipzig.
Das von Neff ausgestellte
Buch, eine Ausgabe von Ander-
sens Märchen (1900), ist ein
recht bezeichnendes Denkmal
unserer Zustände. Es bringt
nämlich als Illustrationen die
Bilder und Vignetten des
Dänen Tegner. Das sind ja
gewiß Federzeichnungen vol-
ler Kraft und Humor, charak-
teristisch und geistvoll er-
funden, aber es sind eben
doch Zeichnungen eines Aus-
länders in einem deutschen
Buche! Man wird mir gewiß
nicht den Vorwurf des Teu-
tonismus machen, wenn ich
meine, es sei wünschenswert,
daß deutsche Bücher von
deutschen Künstlern illustriert
werden.
Gleich zu Beginn der Re-
formbewegung wurde die Forderung aufgestellt, nicht mehr Illustra üon,
sondern Dekoration sei die Losung. Man bedürfe der aufdringlichen Bilder
im Buche nicht Man könne nur allenfalls einen Schmuck vertragen, der den
Text dekorativ ausgestalte, dazu Stimmung wecken möge, nicht mehr. Ich
glaube, man braucht sich über die Berechtigung dieser Forderung nicht zu
streiten. Die Illustration, allerdings eben nur die echte Illustration, ist eine
Kunst für sich, und so wird es wohl auch immer wieder Künstler geben, die
es drängt, ihre künstlerischen Randglossen zu Texten zu machen, mit denen
sie sich eingehender beschäftigt haben. Daß aber jene Forderung der land-
läufigen Illustration gegenüber im Recht ist, das ist, wie oben dargelegt auch
meine Meinung, und man darf wohl sagen, daß im allgemeinen die Einfuhrung
des Buchschmucks an Stelle der Illustration einen Fortschritt bezeichnet. Wenn
nur unseren Künstlern mehr einfallen wollte, oder, muß man wohl richtiger
sagen, wenn doch die, und nur die mit der Aufgabe betraut wurden denen
eben etwas einfällt! Große, ganz naturalistisch gezeichnete Stengel, Bluten und
Blumen, sind doch an sich noch kein Buchschmuck. Und das tolle Lmienwesen,
das so verheerend um sich gegriffen hat, zeigt doch auch nur, daß das, was
etwa einmal einem einzelnen Hochbegabten gestattet ist, in den Händen der
Kunstdilettanten zum vollendeten Unsinn wird. - ,
Aber gehen wir lieber von einzelnen Beispielen aus. Unsere Ausstellung
bietet zunächst Gelegenheit, einige Stuttgarter Künstler, und zwar hervorragend
tüchtige auf unserem Gebiete, würdigen zu lernen.
Kautzsch,
Die Kunst
im württ.
Buch-
gewerbe.
Pankok, Stuttgart;
aus Nr. 32, n.
17
Nacht, S. 3. Verlegt bei Eugen Diederichs in Leipzig.
Das von Neff ausgestellte
Buch, eine Ausgabe von Ander-
sens Märchen (1900), ist ein
recht bezeichnendes Denkmal
unserer Zustände. Es bringt
nämlich als Illustrationen die
Bilder und Vignetten des
Dänen Tegner. Das sind ja
gewiß Federzeichnungen vol-
ler Kraft und Humor, charak-
teristisch und geistvoll er-
funden, aber es sind eben
doch Zeichnungen eines Aus-
länders in einem deutschen
Buche! Man wird mir gewiß
nicht den Vorwurf des Teu-
tonismus machen, wenn ich
meine, es sei wünschenswert,
daß deutsche Bücher von
deutschen Künstlern illustriert
werden.
Gleich zu Beginn der Re-
formbewegung wurde die Forderung aufgestellt, nicht mehr Illustra üon,
sondern Dekoration sei die Losung. Man bedürfe der aufdringlichen Bilder
im Buche nicht Man könne nur allenfalls einen Schmuck vertragen, der den
Text dekorativ ausgestalte, dazu Stimmung wecken möge, nicht mehr. Ich
glaube, man braucht sich über die Berechtigung dieser Forderung nicht zu
streiten. Die Illustration, allerdings eben nur die echte Illustration, ist eine
Kunst für sich, und so wird es wohl auch immer wieder Künstler geben, die
es drängt, ihre künstlerischen Randglossen zu Texten zu machen, mit denen
sie sich eingehender beschäftigt haben. Daß aber jene Forderung der land-
läufigen Illustration gegenüber im Recht ist, das ist, wie oben dargelegt auch
meine Meinung, und man darf wohl sagen, daß im allgemeinen die Einfuhrung
des Buchschmucks an Stelle der Illustration einen Fortschritt bezeichnet. Wenn
nur unseren Künstlern mehr einfallen wollte, oder, muß man wohl richtiger
sagen, wenn doch die, und nur die mit der Aufgabe betraut wurden denen
eben etwas einfällt! Große, ganz naturalistisch gezeichnete Stengel, Bluten und
Blumen, sind doch an sich noch kein Buchschmuck. Und das tolle Lmienwesen,
das so verheerend um sich gegriffen hat, zeigt doch auch nur, daß das, was
etwa einmal einem einzelnen Hochbegabten gestattet ist, in den Händen der
Kunstdilettanten zum vollendeten Unsinn wird. - ,
Aber gehen wir lieber von einzelnen Beispielen aus. Unsere Ausstellung
bietet zunächst Gelegenheit, einige Stuttgarter Künstler, und zwar hervorragend
tüchtige auf unserem Gebiete, würdigen zu lernen.
Kautzsch,
Die Kunst
im württ.
Buch-
gewerbe.
Pankok, Stuttgart;
aus Nr. 32, n.
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