H. Seufferheld, Weinsberg, >'Landstraüe«. Technik: Radierung, Stich und
Roulett; autotypische Reproduktion von III ig & Müller in Göppingen.
ÜBER RADIERTECHNIK.
JßSjS|i ei künstlerischen Schöpfungen kommt es erst in zweiter Linie auf die
nB « Technik an, in der sie geschaffen wurden. Der Geist, den derjenige,
MB ^öStiv welcner die Arbeit schuf, während dieser Tätigkeit für sie zu ver-
vui ^»üffl ausgaben imstande war, ist ausschlaggebend für die Bewertung der
l^L^^Mi Arbeit nach der künstlerischen Seite hin. Der Künstler bedient sich
der Technik wie eines Münzstempels um seine Werte zu prägen,
seine Arbeit gibt dem rohen Stoff die künstlerische Erscheinung.
Ob bei der Erzeugung eines graphischen Blattes Hochdruck, Tiefdruck oder
Flächendruck angewandt wurde, das hängt im wesentlichen davon ab, welche
der betreffenden Techniken dem schaffenden Künstler die angenehmste und
bequemste war.
Wenn trotzdem in dem ästhetischen Schubfächerreich eine Klassifizierung
der graphischen Techniken nach ihrem künstlerischen Wert versucht wurde, so
liegt die Ursache dieser Erscheinung nicht in einem Rangunterschied unter den
einzelnen graphischen Künsten, sondern in dem beschränkten Fassungsver-
mögen des Theoretisierenden; diesem sowohl, wie einem großen Teil der
Sammler und ..Kenner" fehlt es nämlich durchaus an dem Vermögen, gleich-
zeitig verschiedene Arten von Kunstwerten zu genießen. Ein richtiger Kupfer-
stichnarr wird auf die Sammler von Holzschnitten mitleidig herabsehen. Der
Holzschnittfanatiker bedauert den, der an der Lithographieseuche erkrankt ist
und so im holden Wechsel.
Wie manches Kunstwerk ist leider durch dieses Kunstidiotentum ver-
loren gegangen! Wie oft ist ein wertvolles Blatt vernachlässigt worden und
verdorben, weil es ..nur ein Holzschnitt", ..nur eine Lithographie" war. Nament-
lich die armen Lithographien litten sehr, als man sie noch nicht als ..Künstler-
lithographie" sondern bescheiden als Oelfarbendruck bezeichnete. Wenn
es sich aber um einen Kupferstich in ..Linienmanier" handelte, oder wie der
••Kenner" sich kurz ausdrückte, einen ..Stahlstich", dann wußte man, daß ein
Wertgegenstand vorlag und benahm sich der Würde der Situation entsprechend.
Glücklicherweise sind das alles Tempi passati, heutzutage kann so etwas nicht
mehr vorkommen, dazu sind wir durch Kunsterziehung und dergleichen Sachen
viel zu gebildet geworden.
Wenn nun eine Unterscheidung nach der künstlerischen Bewertung hin nicht
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Roulett; autotypische Reproduktion von III ig & Müller in Göppingen.
ÜBER RADIERTECHNIK.
JßSjS|i ei künstlerischen Schöpfungen kommt es erst in zweiter Linie auf die
nB « Technik an, in der sie geschaffen wurden. Der Geist, den derjenige,
MB ^öStiv welcner die Arbeit schuf, während dieser Tätigkeit für sie zu ver-
vui ^»üffl ausgaben imstande war, ist ausschlaggebend für die Bewertung der
l^L^^Mi Arbeit nach der künstlerischen Seite hin. Der Künstler bedient sich
der Technik wie eines Münzstempels um seine Werte zu prägen,
seine Arbeit gibt dem rohen Stoff die künstlerische Erscheinung.
Ob bei der Erzeugung eines graphischen Blattes Hochdruck, Tiefdruck oder
Flächendruck angewandt wurde, das hängt im wesentlichen davon ab, welche
der betreffenden Techniken dem schaffenden Künstler die angenehmste und
bequemste war.
Wenn trotzdem in dem ästhetischen Schubfächerreich eine Klassifizierung
der graphischen Techniken nach ihrem künstlerischen Wert versucht wurde, so
liegt die Ursache dieser Erscheinung nicht in einem Rangunterschied unter den
einzelnen graphischen Künsten, sondern in dem beschränkten Fassungsver-
mögen des Theoretisierenden; diesem sowohl, wie einem großen Teil der
Sammler und ..Kenner" fehlt es nämlich durchaus an dem Vermögen, gleich-
zeitig verschiedene Arten von Kunstwerten zu genießen. Ein richtiger Kupfer-
stichnarr wird auf die Sammler von Holzschnitten mitleidig herabsehen. Der
Holzschnittfanatiker bedauert den, der an der Lithographieseuche erkrankt ist
und so im holden Wechsel.
Wie manches Kunstwerk ist leider durch dieses Kunstidiotentum ver-
loren gegangen! Wie oft ist ein wertvolles Blatt vernachlässigt worden und
verdorben, weil es ..nur ein Holzschnitt", ..nur eine Lithographie" war. Nament-
lich die armen Lithographien litten sehr, als man sie noch nicht als ..Künstler-
lithographie" sondern bescheiden als Oelfarbendruck bezeichnete. Wenn
es sich aber um einen Kupferstich in ..Linienmanier" handelte, oder wie der
••Kenner" sich kurz ausdrückte, einen ..Stahlstich", dann wußte man, daß ein
Wertgegenstand vorlag und benahm sich der Würde der Situation entsprechend.
Glücklicherweise sind das alles Tempi passati, heutzutage kann so etwas nicht
mehr vorkommen, dazu sind wir durch Kunsterziehung und dergleichen Sachen
viel zu gebildet geworden.
Wenn nun eine Unterscheidung nach der künstlerischen Bewertung hin nicht
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