eine Arbeit von ihm, ., Abendfrieden'*,
durch den starken Gehalt an persön-
licher Empfindung. Die Figuren lebten
wirklich in der Landschaft, ein voller
Strom wehmütiger Schwärmerei hüllte
sie und das im schweigsamen Mond-
licht ruhende Tal ein. Auch in den
Bildern, die er jetzt bringt, ist das volle
Durchdringen des Motives mit innerer
Anschauung das eigentlich Wertvolle.
Die „Ziehenden Wolken" (Abb. S. 169)
hat wohl mancher schon so gesehen;
warum aber gerade in dieser besonde-
ren Verbindung von Hochebene, Straße
und windzerzausten Bäumen so viel
Leben und Leidenschaft liegt, erklärt
sich nur aus den mystischen Elementar-
mächten der Persönlichkeit.
Von Otto Reinigers Kunst hat man
gesagt, sie schlage gleichsam die Brücke
zwischen modernem Impressionismus
und der klassischen Landschaft. (Abb.
S. 170.) Ist von der letzteren aber wirk-
Bemhard Pankok in Stuttgart, Selbstbildnis. \{c\y noch etwas am Leben? Die Zeiten
liegen ja weit hinter uns, wo ein Rott-
mann, ein Preller, ganze Säle in den Kunstsammlungen ihrer fürstlichen Gönner
mit jenen pathetischen Naturbildern al fresco füllen durften, die wir heute nur
mit leisem Unbehagen betrachten. Große Gedanken durch eine große Natur
zu schildern, das war das Vorhaben jener; aber wir, die wir bloß nach dem
zu Sehenden, nicht auch nach dem zu Lesenden fragen, sind ungeeignete Be-
urteiler der früher in solchen Bildern empfundenen Schönheit. Auch Preller,
der weit mehr absolute Naturkenntnis besaß, steht uns heute schon unendlich
fern: gibt er doch nur eine, durch eine bestimmte poetische oder historische
Vorstellung geläuterte Abstraktion der Natur, und wer den Ideenkreis dieses
Entstehungsvorganges nicht kennt, der sieht eben nur ein bläßliches Gemälde
mit pappernen Felsen, geschraubten Bäumen und undurchsichtigem Wasser. Wer
heute versucht, durch ein im Bild wiedergegebenes Stück Welt eine Stimmung
dem Beschauer nicht zu erzeugen, sondern vorzuschreiben, zu oktroyieren, der
muß literarische oder geschichtliche Anlehnungen schon beiseite lassen. Es
braucht kaum gesagt zu werden, daß Reiniger sich in dieser Beziehung nichts
zuschulden kommen läßt. Was aber in seiner vorliegenden Landschaft klas-
sisch genannt werden kann, ist die Monumentalität des malerischen Stiles, die
selbstverständliche Größe des erfaßten Naturbildes. Er arbeitet mit ganz
wenigen Tönen, die wie Säbelhiebe auf die Leinwand niederprasseln. Der
Fluß, dessen goldsilberne Masse sich dem Wehre zuwälzt, bekommt die
Akzente eines tragischen Spieles, das aus glanzvoller Ruhe einem düstern
Schicksal entgegendrängt. Verfallen wir nun, mit solcher Art der Schilderung,
in den Fehler unsrer Bilderästhetiker von 1850? Dann sicher nicht, wenn wir
E. Haenel,
Die Aus-
stellung in
Dresden.
182
durch den starken Gehalt an persön-
licher Empfindung. Die Figuren lebten
wirklich in der Landschaft, ein voller
Strom wehmütiger Schwärmerei hüllte
sie und das im schweigsamen Mond-
licht ruhende Tal ein. Auch in den
Bildern, die er jetzt bringt, ist das volle
Durchdringen des Motives mit innerer
Anschauung das eigentlich Wertvolle.
Die „Ziehenden Wolken" (Abb. S. 169)
hat wohl mancher schon so gesehen;
warum aber gerade in dieser besonde-
ren Verbindung von Hochebene, Straße
und windzerzausten Bäumen so viel
Leben und Leidenschaft liegt, erklärt
sich nur aus den mystischen Elementar-
mächten der Persönlichkeit.
Von Otto Reinigers Kunst hat man
gesagt, sie schlage gleichsam die Brücke
zwischen modernem Impressionismus
und der klassischen Landschaft. (Abb.
S. 170.) Ist von der letzteren aber wirk-
Bemhard Pankok in Stuttgart, Selbstbildnis. \{c\y noch etwas am Leben? Die Zeiten
liegen ja weit hinter uns, wo ein Rott-
mann, ein Preller, ganze Säle in den Kunstsammlungen ihrer fürstlichen Gönner
mit jenen pathetischen Naturbildern al fresco füllen durften, die wir heute nur
mit leisem Unbehagen betrachten. Große Gedanken durch eine große Natur
zu schildern, das war das Vorhaben jener; aber wir, die wir bloß nach dem
zu Sehenden, nicht auch nach dem zu Lesenden fragen, sind ungeeignete Be-
urteiler der früher in solchen Bildern empfundenen Schönheit. Auch Preller,
der weit mehr absolute Naturkenntnis besaß, steht uns heute schon unendlich
fern: gibt er doch nur eine, durch eine bestimmte poetische oder historische
Vorstellung geläuterte Abstraktion der Natur, und wer den Ideenkreis dieses
Entstehungsvorganges nicht kennt, der sieht eben nur ein bläßliches Gemälde
mit pappernen Felsen, geschraubten Bäumen und undurchsichtigem Wasser. Wer
heute versucht, durch ein im Bild wiedergegebenes Stück Welt eine Stimmung
dem Beschauer nicht zu erzeugen, sondern vorzuschreiben, zu oktroyieren, der
muß literarische oder geschichtliche Anlehnungen schon beiseite lassen. Es
braucht kaum gesagt zu werden, daß Reiniger sich in dieser Beziehung nichts
zuschulden kommen läßt. Was aber in seiner vorliegenden Landschaft klas-
sisch genannt werden kann, ist die Monumentalität des malerischen Stiles, die
selbstverständliche Größe des erfaßten Naturbildes. Er arbeitet mit ganz
wenigen Tönen, die wie Säbelhiebe auf die Leinwand niederprasseln. Der
Fluß, dessen goldsilberne Masse sich dem Wehre zuwälzt, bekommt die
Akzente eines tragischen Spieles, das aus glanzvoller Ruhe einem düstern
Schicksal entgegendrängt. Verfallen wir nun, mit solcher Art der Schilderung,
in den Fehler unsrer Bilderästhetiker von 1850? Dann sicher nicht, wenn wir
E. Haenel,
Die Aus-
stellung in
Dresden.
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