Vter den Plastikern des Künst-
lerbundes wird der Neuling
mit einigem Erstaunen zwei
der Namen antreffen, die
vorher unter den ersten als
Maler gewürdigt werden
konnten. Diese Zweiheit des bildneri-
schen Schaffens — die Kunst unserer
Zeit bietet ja dafür noch mehrere Bei-
spiele kann als ein willkommener Be-
weis dafür gelten, daß es dem Künstler
Bedürfnis ist, sich über die Grenzen des
zweidimensionalen Gestaltens hinaus der
eigentümlichen stilistischen Bedingungen
plastischer Naturwiedergabe bewußt zu
bleiben. Und in der Tat wird man
jedem der Meister, die hier in Frage
kommen, das Zeugnis ausstellen können,
daß es ihm gelungen ist, sich von Ein-
flüssen, die aus seinem gewohnten Ar-
beitsgebiet kommen, durchaus frei zu
halten. Ja, ein Werk wie Robert Haugs
Reiterstatuette Kaiser Wilhelms I. (es ist
aus der Abb. S. 190 ersichtlich) hat in
der knappen und energischen Formen-
gebung mehr spezifisch Plastisches in sich, wie manche vielgepriesene Leistung
der heute mächtigen ..Impressionisten der Plastik". Auch R. Pötzelbergers
Bronzegruppe ..Gaul in der Schwemme" (s. Abb. S. 189) ist vorzüglich durch-
gebildet, nur stört das Mißverhältnis zwischen dem riesigen Tier und dem
überschlanken Knaben. Desselben Künstlers figürlicher Leuchter und Schmuck-
schale* vertreten den Uebergang zum Kunstgewerbe mit viel zarter Anmut
und graziösem Humor. Auf die symbolistischen Züge in D. Stockers „Seele"
(Abb. S. 197) würde man gern verzichten, ohne dabei zu leugnen, daß der
herbe und verinnerlichte Ausdruck des Kopfes auch in dem Frauenkörper
selbst ergreifend nachzittert. Melchior von Hugo bringt einen charakter-
vollen Jünglingskopf in Marmor (Abb. s. oben); ein wenig von dem wunder-
baren Leben, das uns an Rodins Büsten entzückt, ist in das Werk mit hinein-
geflossen. Zu einem sandalenbindenden Merkur (Abb. S. 194), dessen ge-
beugte Haltung sich ausgezeichnet dem Gebrauch als Petschaft anschmiegt,
hat Theodor Fischer die Skizze geliefert. Karl Donndorf hat schon ver-
schiedentlich Gelegenheit gehabt zu zeigen, daß er nicht gewillt ist, als moder-
ner Klassizist ohne Widerspruch in die Fußstapfen der väterlichen Tradition zu
treten. Sein ..Trinkender Merkur", auch der „Salber" (Abb. S. 198), behandeln
ein nicht ungewöhnliches Bewegungsmotiv ohne jene Verallgemeinerung der
Formen, die man ehemals Idealität zu nennen beliebte. Der Umriß zwar
E. Haenel,
Die Aus-
stellung in
Dresden.
Melchior von Hugo in Stuttgart, Männlicher Marmorkopf.
* Vgl. Abbildungen in unseren Mitteilungen Heft 4/5 1902 1903 S. 260 und 261. Die beiden Bronzen
waren im Frühjahr 1903 in der Feinmetallausstellung des Württembergischen Kunstgewerbevereins
ausgestellt.
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lerbundes wird der Neuling
mit einigem Erstaunen zwei
der Namen antreffen, die
vorher unter den ersten als
Maler gewürdigt werden
konnten. Diese Zweiheit des bildneri-
schen Schaffens — die Kunst unserer
Zeit bietet ja dafür noch mehrere Bei-
spiele kann als ein willkommener Be-
weis dafür gelten, daß es dem Künstler
Bedürfnis ist, sich über die Grenzen des
zweidimensionalen Gestaltens hinaus der
eigentümlichen stilistischen Bedingungen
plastischer Naturwiedergabe bewußt zu
bleiben. Und in der Tat wird man
jedem der Meister, die hier in Frage
kommen, das Zeugnis ausstellen können,
daß es ihm gelungen ist, sich von Ein-
flüssen, die aus seinem gewohnten Ar-
beitsgebiet kommen, durchaus frei zu
halten. Ja, ein Werk wie Robert Haugs
Reiterstatuette Kaiser Wilhelms I. (es ist
aus der Abb. S. 190 ersichtlich) hat in
der knappen und energischen Formen-
gebung mehr spezifisch Plastisches in sich, wie manche vielgepriesene Leistung
der heute mächtigen ..Impressionisten der Plastik". Auch R. Pötzelbergers
Bronzegruppe ..Gaul in der Schwemme" (s. Abb. S. 189) ist vorzüglich durch-
gebildet, nur stört das Mißverhältnis zwischen dem riesigen Tier und dem
überschlanken Knaben. Desselben Künstlers figürlicher Leuchter und Schmuck-
schale* vertreten den Uebergang zum Kunstgewerbe mit viel zarter Anmut
und graziösem Humor. Auf die symbolistischen Züge in D. Stockers „Seele"
(Abb. S. 197) würde man gern verzichten, ohne dabei zu leugnen, daß der
herbe und verinnerlichte Ausdruck des Kopfes auch in dem Frauenkörper
selbst ergreifend nachzittert. Melchior von Hugo bringt einen charakter-
vollen Jünglingskopf in Marmor (Abb. s. oben); ein wenig von dem wunder-
baren Leben, das uns an Rodins Büsten entzückt, ist in das Werk mit hinein-
geflossen. Zu einem sandalenbindenden Merkur (Abb. S. 194), dessen ge-
beugte Haltung sich ausgezeichnet dem Gebrauch als Petschaft anschmiegt,
hat Theodor Fischer die Skizze geliefert. Karl Donndorf hat schon ver-
schiedentlich Gelegenheit gehabt zu zeigen, daß er nicht gewillt ist, als moder-
ner Klassizist ohne Widerspruch in die Fußstapfen der väterlichen Tradition zu
treten. Sein ..Trinkender Merkur", auch der „Salber" (Abb. S. 198), behandeln
ein nicht ungewöhnliches Bewegungsmotiv ohne jene Verallgemeinerung der
Formen, die man ehemals Idealität zu nennen beliebte. Der Umriß zwar
E. Haenel,
Die Aus-
stellung in
Dresden.
Melchior von Hugo in Stuttgart, Männlicher Marmorkopf.
* Vgl. Abbildungen in unseren Mitteilungen Heft 4/5 1902 1903 S. 260 und 261. Die beiden Bronzen
waren im Frühjahr 1903 in der Feinmetallausstellung des Württembergischen Kunstgewerbevereins
ausgestellt.
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