E. Haenel,
Die Aus-
stellung in
Dresden.
weist, nicht unglücklich,
auf die Schule der Antike
hin, aber das Spiel der
Muskeln unter der Haut
konnte nur aus einem
Naturstudium sich ent-
wickeln, das von Schlag-
wörtern wie dem der
Kunst, die sich nur mit
den höchsten Interessen
der Menschheit beschäf-
tigen soll, nichts mehr
wissen will und nichts
mehr zu wissen braucht.
Die württembergische
Residenzstadt hatte ihre
Melchior von Hugo in Stuttgart,
Merkur. Petschaft (nach Skizze
von Prof. Th. Fischer).
Melchior von Hugo in Stuttgart, Faun. Bronze-
statuette.
Tore schon dem frischen
Lufthauch geöffnet, der
aus München und Karls-
ruhe in die süddeutschen Gaue wehte, als die
neue kunstgewerbliche Bewegung auch bei ihr
Einkehr hielt. Daß die Bringer des neuen
Evangeliums gerade aus München kamen, stellte
der Entwicklung von vornherein eine günstige
Prognose aus. Denn noch ehe aus England
die hauptsächlich literarischen Anregungen durch
Ruskin und Morris und die Vorbilder für Textil-
muster und Metallgerät, sowie für das sinngemäße Wohnhaus als Ganzes, be-
vor noch aus Belgien der Liniensymbolismus Van de Veldes mit all seinen hoch-
bedeutsamen Theorien gekommen waren, hatte in München die Ueberzeugung,
daß etwas für unser Kunsthandwerk geschehen müsse, zuerst schaffenskräftige
Vertreter gefunden. In den Vereinigten Werkstätten fanden sich die jungen
Revolutionäre zusammen; einer der originellsten und schaffenskräftigsten unter
ihnen ist heute Leiter der königlichen Lehr- und Versuchswerkstätten, die in
Stuttgart im Anschluß an die kgl. Kunstgewerbeschule errichtet wurden: Bern-
hard Pankok. Nicht als einer, der gewillt war, sich von der Welle der immer
stürmischer dahinströmenden Bewegung tragen zu lassen, sondern als ein er-
probter Schwimmer mit eigenem Kurs, mit starkem Arm und trotzigem Nacken.
Zwar gegen den Fundamentalgrundsatz, daß die Kunstform sich nur aus dem
konstruktiven Gerüst und aus dem Zweckgedanken zu entwickeln habe, ver-
stießen seine Arbeiten niemals. In Dresden sah man 1899 ein Schlafzimmer,
Möbel aus schwarzpoliertem Birnbaum, Mahagoni und ungarischer Esche. Es
erregte allgemeines Entsetzen. Man sprach von einem Skelettstil, von formalen
Perversitäten, ästhetischen Seiltänzerstückchen und Aehnlichem. Und wirklich:
solche Urteile waren, aus dem Empfinden der Stilanbeter heratis, schließlich
zu begreifen. Einzelne Bizarrerien, die damals Pankoks Schöpfungen zur Schau
194
Die Aus-
stellung in
Dresden.
weist, nicht unglücklich,
auf die Schule der Antike
hin, aber das Spiel der
Muskeln unter der Haut
konnte nur aus einem
Naturstudium sich ent-
wickeln, das von Schlag-
wörtern wie dem der
Kunst, die sich nur mit
den höchsten Interessen
der Menschheit beschäf-
tigen soll, nichts mehr
wissen will und nichts
mehr zu wissen braucht.
Die württembergische
Residenzstadt hatte ihre
Melchior von Hugo in Stuttgart,
Merkur. Petschaft (nach Skizze
von Prof. Th. Fischer).
Melchior von Hugo in Stuttgart, Faun. Bronze-
statuette.
Tore schon dem frischen
Lufthauch geöffnet, der
aus München und Karls-
ruhe in die süddeutschen Gaue wehte, als die
neue kunstgewerbliche Bewegung auch bei ihr
Einkehr hielt. Daß die Bringer des neuen
Evangeliums gerade aus München kamen, stellte
der Entwicklung von vornherein eine günstige
Prognose aus. Denn noch ehe aus England
die hauptsächlich literarischen Anregungen durch
Ruskin und Morris und die Vorbilder für Textil-
muster und Metallgerät, sowie für das sinngemäße Wohnhaus als Ganzes, be-
vor noch aus Belgien der Liniensymbolismus Van de Veldes mit all seinen hoch-
bedeutsamen Theorien gekommen waren, hatte in München die Ueberzeugung,
daß etwas für unser Kunsthandwerk geschehen müsse, zuerst schaffenskräftige
Vertreter gefunden. In den Vereinigten Werkstätten fanden sich die jungen
Revolutionäre zusammen; einer der originellsten und schaffenskräftigsten unter
ihnen ist heute Leiter der königlichen Lehr- und Versuchswerkstätten, die in
Stuttgart im Anschluß an die kgl. Kunstgewerbeschule errichtet wurden: Bern-
hard Pankok. Nicht als einer, der gewillt war, sich von der Welle der immer
stürmischer dahinströmenden Bewegung tragen zu lassen, sondern als ein er-
probter Schwimmer mit eigenem Kurs, mit starkem Arm und trotzigem Nacken.
Zwar gegen den Fundamentalgrundsatz, daß die Kunstform sich nur aus dem
konstruktiven Gerüst und aus dem Zweckgedanken zu entwickeln habe, ver-
stießen seine Arbeiten niemals. In Dresden sah man 1899 ein Schlafzimmer,
Möbel aus schwarzpoliertem Birnbaum, Mahagoni und ungarischer Esche. Es
erregte allgemeines Entsetzen. Man sprach von einem Skelettstil, von formalen
Perversitäten, ästhetischen Seiltänzerstückchen und Aehnlichem. Und wirklich:
solche Urteile waren, aus dem Empfinden der Stilanbeter heratis, schließlich
zu begreifen. Einzelne Bizarrerien, die damals Pankoks Schöpfungen zur Schau
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