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Stuttgarter Mitteilungen über Kunst und Gewerbe — 1904-1905

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Wolter, Franz: Die freie Vereinigung württembergischer Künstler
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https://doi.org/10.11588/diglit.6370#0215
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F. Wolter,
Freie Ver-
einigung
Württbg.

Künstler.

Paul Huber in Stuttgart, Jugend.

doch in manch frischen und neuen Ansätzen
die ersten Lichtstrahlen, den wehenden Mor-
genwind als Vorboten deutlich erkennen. Ja,
ganz offen und ehrlich heraus gesagt, steckt
in manchem dieser aufstrebenden Talente
der Keim zu einer wahrhaft echt deutschen
Kunst, nach der wir uns heute mehr denn
je sehnen, da wir der Auslandsmanie recht
überdrüssig geworden sind. Die älteren
und schon stärker entwickelten Künstler des
Württemberger Landes, deren Werke wir
letzthin in München leider zu wenig auf der
Künstlerbund-Ausstellung gesehen haben,
dürften in ihrer Pionierarbeit hier eine be-
deutende Stütze erblicken. Es kommt in
aller und jeder Kunstbetrachtung darauf
an, schon in den ersten Ansätzen, in dem
scheinbar Primitiven die wahre und echte

Künstlerschaft zu erkennen, gleichsam wie der erst ein Kenner ist, welcher
an den plumpen unbeholfenen Beinen junger Jagdhunde auf den ersten Blick
schon die edle Rasse sieht. Und gerade bot diese Vereinigung Württember-
gischer Künstler in manchen Talenten das, was die große Masse nicht verstand
und nur der feiner organisierte Kunstfreund zu würdigen und zu schätzen
vermochte. Fast keiner, der in diesem Saale zu Worte kam, gehörte zu der
großen Anzahl Maler, die, wie man zu sagen pflegt, nur einen guten Schul-
ranzen haben, die alles malen können, was ihnen unter die Finger fällt,
virtuose Könner sind und durch „Fertigkeit" blenden, die aber dennoch ihren
Werken keine Lebenskraft einhauchen können, weil sie nicht tiefer in das
Wesen der Kunst eingedrungen, an der Oberfläche hängen geblieben sind.
Die Landschaft gab, wie dies auf den meisten Ausstellungen der Fall ist, auch
hier dieser Gruppe das charakteristische Gepräge, wenngleich auch mehrere
Figurenbilder vorhanden waren.

Eigenartig erschien unter den Landschaftern ganz besonders Karl Schickardt,
seine drei großen Oelgemälde und einige Pastelle zeigten ihn von der ver-
schiedensten Seite. Nicht nach einem Rezept, nach öfter erprobtem Motiv,
weiß der Künstler seine neuen Eindrücke zu verkörpern, sondern er versteht
es, dem jeweiligen Thema entsprechend sowohl in der Konzeption, als auch
in der Anwendung der technischen Mittel immer Neuartiges zu schaffen. Er
sucht die Wahrheit der Erscheinung mit seiner Weltanschauung in Verbindung
zu bringen und indem er scheinbar das Weben der Natur objektiv betrachtet,
gibt er mittelst einer kraftvollen Sprache der Technik, die im gewissen Sinne
an den Münchner Fritz Baer erinnert, seine eigene Ueberzeugung kund. Man
darf nun solche anscheinende Aehnlichkeit mit einem andern Künstler oder
selbst einer ganzen malerischen Nation nicht als eine Unselbständigkeit an-
sehen, denn manche Erscheinungen in der Kunst, ganz merkwürdige einheit-
liche Anschauungen und wie in diesem Falle technische Ausführungen, findet
man bei allen Nationen, wenn man nur einigermaßen vom kunsthistorischen
Standpunkte aus die einzelnen Epochen betrachtet von den urältesten Zeiten

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