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Sondheim, Moriz
Gesammelte Schriften: Buchkunde, Bibliographie, Literatur, Kunst u.a. — Frankfurt a.M., 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.34388#0191
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Diesen Prinzipien folgend, machte er sich an die Arbeit.
Natur und Geschichte waren seine Lehrmeister: die Natur, in-
dem er von der Schreibschrift ausging, aus welcher die Druck-
schrift entstanden ist, die Geschichte, indem er zu den alten
Drucken zurückgriff, von welchen unsere heutigen Typen her-
stammen. Damals begann er Inkunabeln und Holzschnittbücher
zu sammeln, und in wenigen Jahren brachte er eine kleine
Bibliothek von auserlesener Schönheit zusammen. Da er das
Schönste der besten Offizinen auswählte, glich seine Samm-
lung einem Kleinodienschreine, und wer sie jemals gesehen,
wird den abgerundeten Eindruck, den sie machte, nie ver-
gessen.
Nachdem er die Typenformen der alten Drucker verglichen
und analysiert, um die Prinzipien, welche ihrer Schönheit zu
Grunde lagen, zu erforschen, begann er Typen zu suchen,
welche die Vorzüge der alten besitzen und den Anforderungen
der Neuzeit entsprechen sollten. Er zeichnete jeden Buch-
staben in großem Maßstabe, damit ihm kein Proportionsfehler
gehe, dann ließ er ihn photographisch verkleinern und unter-
zog ihn einem neuen Studium, bevor er ihn schneiden ließ.
So verfertigte er eine romanische (Antiqua) Type, welche er
„die Goldene" nannte, und eine gotische, die er in zwei Größen
hersteilen ließ, „die Troja und die Chaucer Type".
Interessant ist, daß William Morris hierbei die theoretischen
Forderungen praktisch ausführte, welche bereits 1885 Hein-
rich Wallau in seiner „Aesthetik der Druckschrift" aufgestellt
hatte, obgleich er dieses Schriftchen, das in einem Sammel-
bande versteckt ist, wohl kaum gekannt und jedenfalls nicht
gelesen hat, da er kein Deutsch verstand. Wie es Wallau ver-
langte, ist die gotische Schrift von William Morris „durchweg
auf dem klaren Federductus aufgebaut" und die Versalien
(große Buchstaben) sind aus altertümlichen Bildern „in ge-
läufigere Formen übergeführt". Die romanische Type erinnert
auffallend an diejenige Johannes Schöffers in Mainz, welche
Wallau als „Beispiel trefflich gebauter Antiqua" abgebildet
hat.')
Mit der Beschaffung der Typen war erst ein Schritt zur
Herstellung des Buches gethan. Die Wahl des Papiers und
der Schwärze erforderten nicht geringere Sorgfalt. Keines der
vorhandenen Papiere genügte William Morris; er haßte das
uninteressante, glatte Maschinenpapier, aber ebenso wenig ge-
fiel ihm dasjenige, welches Handpapier nachahmt. Nach der
alten Methode ließ er wirkliches Handpapier herstellen, zu
welchem er selbst das Wasserzeichen mit seinem Monogramm
WM zeichnete. Die Druckerschwärze ließ er aus dem Auslande
t) H. Wallau, Ästhetik der Druckschrift. (Gesammelte Studien zur Kunst-
geschichte. Festgabe für A. Springer.) Leipzig 1885. S. 151 ff.
 
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