Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Sondheim, Moriz
Gesammelte Schriften: Buchkunde, Bibliographie, Literatur, Kunst u.a. — Frankfurt a.M., 1927

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34388#0190

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
- 165 -
senarbeit, welche die beiden Freunde im Anfänge der siebziger
Jahre unternahmen, wurde — man möchte sagen zum Glücke —
niemals zu Ende geführt
Bei einer Natur wie William Morris war der Uebergang vom
Kalligraphen zum Drucker eine logische Notwendigkeit „Ich
mag keine Kunst für Wenige, wie ich keine Bildung für Wenige
und keine Freiheit für Wenige mag", hatte er einmal gesagt;
die kostbaren Handschriften, die er herstellte, konnten nur
einem kleinen Kreise von Freunden etwas sein, durch die Buch-
druckerkunst war es möglich, die große Gemeinde der Biblio-
philen zu beglücken und seinen Kunstansichten die weiteste
Verbreitung zu geben. Mit der Buchornamentik hatte er sich
schon in den sechziger Jahren beschäftigt, schon damals hatte
er in seinen Mußestunden — denn so unwahrscheinlich es
klingt, der Vielbeschäftigte hatte Mußestunden — sich im
Holzschnitt geübt, Dürerblätter kopiert und Holzstöcke nach
eigenen Zeichnungen verfertigt. Seit 1883 trat er dem Plane
näher, eine Presse zu errichten, aber erst 1890, als er ein Exem-
plar von Wynkyn de Wördes Goldener Legende kaufte, bekam
seine Absicht eine feste Form in dem Entschlüsse, dieses be-
rühmte Buch neu zu drucken. Von jenem Tage an bis zu seinem
Tode widmete er den besten Teil seiner Kraft der edlen Druck-
kunst.
Hierbei ging er von denselben Grundsätzen aus, die ihn bei
allen seinen anderen Arbeiten geleitet hatten. „Eure Lehrer,"
hatte er im Jahre 1878 in einem Vortrage für Handwerker ge-
sagt, „Eure Lehrer müssen sein Natur und Geschichte; was
die Natur betrifft, so ist es klar, daß Ihr von ihr lernen müßt,
daß ich jetzt nicht dabei zu verweilen brauche; was die Ge-
schichte anbelangt, so glaube ich nicht, daß irgend jemand,
außer den höchsten Geistern, heutzutage irgend etwas leisten
kann ohne eifriges Studium der alten Kunst. Wenn Ihr glaubt,
daß dies im Widerspruch steht zu dem, was ich Euch über den
Tod jener alten Kunst gesagt habe und über die Notwendig-
keit, die ich daraus folgerte, eine Kunst zu schaffen, die für
unsere Zeit charakteristisch sei, so kann ich nur folgendes
sagen: Wenn wir nicht die alten Werke direkt studieren und
verstehen lernen, so werden wir durch die schwachen Ar-
beiten um uns herum beeinflußt werden und werden die besse-
ren Werke, ohne sie zu verstehen, nach ihren Nachahmern ko-
pieren, was sicherlich keine verständige Kunst hervorbringen
wird. Laßt uns daher die alte Kunst mit Verständnis studieren,
laßt uns durch sie belehrt, erleuchtet werden, immer an dem
Entschlüsse festhaltend, sie nicht nachzuahmen oder zu wieder-
holen, entweder gar keine Kunst zu haben oder eine Kunst,
welche wir unser eigen gemacht haben."D

J W. Morris, The decorative arts, London 1878. p. 18.
 
Annotationen