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Sondheim, Moriz
Gesammelte Schriften: Buchkunde, Bibliographie, Literatur, Kunst u.a. — Frankfurt a.M., 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.34388#0263

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236 —

keif, welche nur eine fast universelle Sprachenkennfnis er-
möglicht hat, sichert dem Katalog Bernstein eine freundliche
Aufnahme und einen ehrenvollen Platz.

Die Frankfurter Originalausgabe des
Espion Chinois.
Im Jahre 1745 hielt sich in Frankfurt a. M. ein Französi-
scher Journalist auf, der sich Dubourg nannte und mit seinem
wahren Namen Victor de laCastagnehieß. Er wohnte in der Fahr-
gasse im Hause eines Eisenhändlers Otto und gab eine peri-
odische Schrift in Briefform, l'Espion Chinois en Europe,
heraus, in welcher er unter der damals beliebten Maske eines
in Europa reisenden Orientalen die Zeitereignisse kritisierte
und politische Personen charakterisierte und verleumdete. Bis-
her war diese Schrift nur in einem einzigen Exemplar bekannt,
das sich in der Bibliotheque de FArsenal in Paris befindet.
E. Hatin hat dieses Exemplar in seiner Bibliographie de la
Presse Seife 60 beschrieben und mit Scharfsinn nachgewiesen,
dass es nicht die Originalausgabe, sondern ein Neudruck sei.
Man musste daher bis jetzt annehmen, dass der Originaldruck
des Espion Chinois vollständig untergegangen sei; einem glück-
lichen Zufall verdanken wir die Entdeckung eines Exemplars
der editio princeps.
Dubourg hatte sich in Frankfurt niedergelassen, weil er
sich in der neutralen Freien Reichsstadt sicher glaubte. Trotz-
dem ereilte ihn sein Verhängnis. Schon am 22. Februar 1745
hatte der Resident von Lersner in einer Sitzung des Schöffen-
rafhs, die sich mit den in Ober- und Niederrad liegenden
Französischen Truppen beschäftigte, ermahnt, „man solle auff
die viele scandalose piecen, den Espion Chinois und dergl.
ein wachsames Auge haben", und es war beschlossen worden, „die
schärfste confiscation und andere straffen gegen die Drucker
und Verkäuffer dieser und dergl. ärgerl. piecen vorzukehren". *)
Dubourg beachtete diese Warnung nicht und setzte seine Ver-
öffentlichungen bis Ende Juni fort. Bald darauf wurde er auf
Befehl Ludwig XV. von Französischen Truppen verhaftet.
Ueber seine Gefangennehmung enthalten die Akten des Stadt-
archivs nichts, sie fand vielleicht außerhalb der Mauern Frank-
furts statt. Der arme Skribent wurde im Monat August nach

0 Protokolle des Schöffenraths Soite 106 ff., im Stadtarchiv. — Mit den
„andern scandalosen piecen", welche dem Schöffenrath Sorgen verursuchten, ist
eine Schrift Le Babillard Anglois gemeint, welche ein gewisser James de
la Cour, aus dem Luxemburgischen, in Frankfurt herausgab, und die in den
Akten mehrfach erwähnt wird.
 
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