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Sondheim, Moriz
Gesammelte Schriften: Buchkunde, Bibliographie, Literatur, Kunst u.a. — Frankfurt a.M., 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.34388#0055

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in ihr verborgenen Schätze zu heben, damit auf sie, das Aschen-
brödel der Stadt, immer weniger das Wort passe, das vor 150
Jahren Lucius in der Zueignung des Kataloges der Stadtbiblio-
thek dem Magistrat in den Mund legte: Thesaurus latens
absconditusque ein verborgener, unbekannter Satz.

Zwei KaffermärchenJ)
I.
Geschichte der Tangalimlibo.
Es war einmal ein Mann, der zwei Weiber hatte; die eine
hatte keine Kinder. Sie grämte sich sehr darüber bis eines
Tages ein Vogel geflogen kam und ihr Kügelchen gab. Er
sagte, sie solle immer davon schlucken, bevor sie esse, dann
würde sie ein Kind gebären. Da wurde sie sehr vergnügt und
bot dem Vogel Hirse an.
Aber der Vogel sagte: „Ich brauche keine Hirse."
Da bot sie ihm einen Halsschmuck an, aber er sagte, er
habe keine Verwendung dafür. Da sammelte sie ganz feine
Sandkörner, und er nahm sie aus ihrer Hand.
Darauf bekam das Weib eine Tochter. Ihr Mann erfuhr
es nicht, denn er betrat niemals ihre Hütte. Er liebte sie nicht,
weil sie keine Kinder hatte. Da sprach sie: „Ich will meine
Tochter in der Hütte bewahren, bis mein Gatte kommt; sicher-
lich wird er mich lieben, wenn er sieht, welch schönes Kind ich
habe." Und sie nannte das Kind Tangalimlibo.
Der Mann ging immer in die Hütte des andern Weibes,
und so geschah, daß Tangalimlibo zu einem jungen Weib er-
blüht war, als ihr Vater sie zum erstenmale erblickte. Er war
sehr erfreut und sprach:
„Liebes Weib, das hättest du mir früher sagen sollen."
Das Mädchen hatte nie das Haus bei Tag verlassen. Nur
zur Nachtzeit war sie ausgegangen; wenn die Leute sie nicht
sehen konnten.
Der Mann sagte zu seinem Weibe:
„Braue Bier und lade viele Leute ein, daß sie kommen und
sich mit mir freuen."
Also that das Weib. Vor dem Kraal-) stand ein mächtiger
Baum, und die Matten wurden unter ihm gebreitet. Es war ein
schöner Sommertag, und viele Männer kamen. Unter ihnen

*) Mit Genehmigung der Verlagshandlung übersetzt aus Kahr Folk-Lore,
or a selection from the traditional tales current among the people living on
the Easternbord of the Cape Colony, by G. Mc Call Theal. London, Swan,
Sonnenschein & Comp.
2) Dorf.
 
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