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Sondheim, Moriz
Gesammelte Schriften: Buchkunde, Bibliographie, Literatur, Kunst u.a. — Frankfurt a.M., 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.34388#0244

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Die Mainzer Festschrift
Die Gutenbergtage sind vorüber, die Reden sind verklungen,
der Festzug ist vorbeigerauscht, langsam verfliegt die begei*
sterte Stimmung. Als dauerndes Denkmal der schönen Feier
bleibt uns die Festschrift der Stadt Mainz/) welche
späteren Tagen Zeugniß ablegen soll von dem Stande der Gu-
tenberg-Forschung im Jahre 1900. üeber den Inhalt hat die
„Frankf. Ztg." schon vor dem Erscheinen berichtet; jetzt, da
das Buch fertig vor uns liegt, dürfte es von Interesse sein, es
auch seinem Aeußeren nach zu betrachten und als Monu-
ment der Druckthätigkeit in Gutenberg's Vaterstadt nahezu
500 Jahre nach Erfindung der Typographie zu würdigen. Die
Festschrift enthält die letzten Ergebnisse der wissenschaft-
lichen Forschung auf dem Gebiet der Buchdruckgeschichte
des 15. Jahrhunderts; der Form nach will sie bekunden, was in
künstlicher und technischer Hinsicht die Typographie in
unseren Tagen leisten kann. Das Hauptgewicht ist auf Ge-
diegenheit des Materials gelegt. Schöngetöntes Büttenpapier
und tiefe, satte Farben wirken wohlthuend auf das Auge; die
Typen sind von einfacher, edler Zeichnung, eng aneinander ge-
setzt, in richtiger Erkenntniß, daß weißer Raum zwischen den
einzelnen Buchstaben stört und daß nicht enger Satz, sondern
nur zu schmale Typen unleserlich sind. Dem ernsten, wissen-
schaftlichen Inhalte entsprechend, ist überflüssiger Schmuck
vermieden; phantastische Leisten und Initialen, welche beim
Lesen Blatt für Blatt die Gedanken ablenken, wären hier nicht
am Platze gewesen. Nur am Anfang und Ende eines jeden Ab-
schnittes bieten Zierstücke dem Auge einen willkommenen
Ruhepunkt. Jeder andere Schmuck fehlt, selbst das Titelblatt
hat nicht die kleinste Vignette aufzuweisen, das Buch will nur
durch die Schönheit und harmonische Anordnung der Typen
wirken. Es ist unendlich schwieriger, auf diese vornehme Weise
einen Druck von wirklichem Kunstwerth herzustellen, als wenn
man die Seifen mit Umrahmungen, Kopfleisten, Initialen und
Schlußstücken überfüllt, die das Auge vom Texte ablenken,
und häufig typographische Schwächen verdecken. Indem sie
auf solche Hilfsmittel verzichteten, haben sich die Veranstalter
der Mainzer Festschrift die höchste Aufgabe gestellt, an welche
die Buchdruckerkunsf herantreten kann, und sie haben diese
Aufgabe glänzend gelöst. Ihre Arbeit bestätigt wieder einmal
den Satz, den William Morris auf gestellt hat, daß ein Buch
ein Kunstwerk sein kann, wenn die Type gut und die Anord-
nung geschmackvoll ist, und daß ein ganz schmuckloses Buch
schön ist, wenn es „architektonisch" gut ist. So haben wir hier
0 Festschrift zum fünfhundersten Geburtstage von Johann Gutenberg. Im
Aufträge der Stadt Mainz, herausgegeben von Otto Hartwig. Mainz, am 24.
Juni 1900. Kunstdruckerei von Ph. v. Zabern. 4°. 445 S. und 55 Tafeln,
 
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