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Sondheim, Moriz
Gesammelte Schriften: Buchkunde, Bibliographie, Literatur, Kunst u.a. — Frankfurt a.M., 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.34388#0026

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Scheifel's Trompeter in WelschlancL
Das italienische Volk hat ein Anrecht an Scheffels Trom-
peter von Säkkingen. Auf der Insel Capri wurde er gedichtet
und seine letzten Capitel spielen sich in Rom ab. Dennoch ist
es ein gewagtes Unternehmen, ihn in das Italienische zu über-
setzen. In dieser weichen und melodischen Mundart muss der
kernige Sang vom Oberrhein seine Individualität verlieren,
wenn er nicht von einem Meister übertragen wird, welcher der
zartbesaiteten Sprache kräftige Töne zu entlocken weiss. Herr
Dr. Fasanotto, ein Jurist, der in seiner Heimath durch kleinere
literarische Schriften rühmlichsf bekannt ist, hat diese schwie-
rige und mühevolle Arbeit gewagt und zu Ende geführt*) Sie
ist ihm im Allgemeinen auch gelungen, obgleich sie manche
Spuren von Flüchtigkeit zeigt. Wir wollen nicht zu streng mit
Herrn Fasanotto in's Gericht gehen, wir wissen, welche unge-
heure Schwierigkeiten unsere Sprache den romanischen Völ-
kern bietet; wir wollen nicht mit ihm wegen der vielen kleinen
Uebersetzungsfehler rechten; wir wollen es ihm, dem Italiener,
verzeihen, wenn er von den „Blüfenknospen" spricht, „welche
die Tannen den Menschen zur Weihnachtszierde schicken"; wir
wollen es ihm verzeihen, wenn er den Alpdruck durch d'Alpe
orrenda mole wiedergiebt, wenn er die Worte: „Die Sommer-
nacht hat mir's angethan, das ist ein schweigsames Reiten" in
Mi fan bene le notti dell' estate, come le taciturne cavalcate
übersetzt. Das sind Versehen, die dem gewandtesten Ueber-
setzer entschlüpfen können und den Werth seiner Arbeit nur
unbedeutend verringern Eines aber verzeihen wir ihm nicht:
dass er das Wesen des Gedichtes, welches er überfragen hat,
missverstehend, Scheffel mit Voltaire vergleicht. In der Vor-
rede sagt er: „Der Eindruck, den ich von der ersten Lecfüre
(des Trompeters) empfing, war dieser: Scheffel erinnert mich
an Voltaire und Heine (Scheffel mi ricorda Voltaire e kleine)."
Dass einige Lieder Werners aus Welschland in der Manier
Heine's geschrieben sind, wollen wir nicht leugnen; aber das
ist der einzige Punkt, in dem die beiden Dichter Zusammen-
treffen. Wenn Werner am Ponte Molle unter Thränen lächelt,
so geschieht es nicht mit jener bitteren Ironie Heine's, der sich
und die Welf verspottet, der nichts liebt und dem Glauben
J G. W. Scheffel. H trombettiere di Säkkingen. Prima traduzione ita-
Hana dalla LX edizione tedesca di G. B. Fasanotto. Verona. 1879. in 16°. H. F.
Münster.

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