Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Sondheim, Moriz
Gesammelte Schriften: Buchkunde, Bibliographie, Literatur, Kunst u.a. — Frankfurt a.M., 1927

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34388#0056

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
- 31 -
war der Sohn eines Häuptlings, der sich in Tangalimlibo ver-
liebte, sobald er sie erblickte.
Als der junge Häuptling nach Hause kam, sandte er dem
Vater des Mädchens Botschaft, er müsse ihm seine Tochter
schicken, daß er sie heirate. Der Mann teilte es allen seinen
Freunden mit und forderte sie auf, zur bestimmten Zeit bereit
zu sein, seine Tochter dem Häuptling zuzuführen. So kamen
sie und nahmen sie, und das Hochzeitsfest war groß. Der
Ochsen waren viele, die an diesem Tage geschlachtet wurden.
Tangalimlibo bekam von ihrem Vater einen starken schönen
Ochsen, der ihren Namen erhielt. Sie riß ein Stück ihres Klei-
des ab und gab es ihm, und er verschlang es. Nachdem sie
einige Zeit verheiratet war, bekam sie einen Sohn. Ihr Gatte
liebte sie sehr, denn sie war schön und fleißig. Doch bei Tag
ging sie niemals aus. Daher erhielt sie den Namen Sihamba
Ngenyanga (die Mondscheinwandlerin).
Eines Tages ging ihr Gatte in die Ferne, mit andern Män-
nern zu jagen. In seiner Hütte ließ er sein Weib zurück mit
seinem Vater, seiner Mutter und einem Mädchen, welches das
Kind pflegte. Der Vater sagte:
„Warum arbeitet sie nicht bei Tag? Ich bin durstig."
Und er sandte das Mädchen zu Tangalimlibo, um Wasser
zu bitten, und sprach:
„Ich sterbe vor Durst."
Das Weib sandte dem Vater Wasser, doch er goß es auf
den Boden und sagte:
„Wasser vom Flusse will ich haben."
Sie sprach: „Ich gehe nie bei Tag zum Flusse."
Er aber fuhr fort zu verlangen und sprach wieder:
„Ich sterbe vor Durst."
Da nahm sie einen Milchkübel und eine Kürbisflasche und
ging weinend zum Fluß hinunter. Sie tauchte die Flasche in
das Wasser und sie wurde ihr aus der Hand gerissen. Sie
tauchte den Milchkübel in das Wasser, und er wurde von ihr
fortgerissen. Da versuchte sie, Wasser mit ihrem Mantel auf-
zufangen, und sie wurde selbst mit in die Tiefe hinabgezogen.
Bald darauf ward das Mädchen nach ihr ausgeschickt, aber
es kam zurück und sagte: „Ich fand sie nicht, die nur bei
Nachtzeit Wasser zu holen pflegt."
Ihr Schwiegervater trieb Ochsen zum Flusse. Er nahm den
fetten Ochsen, der ihren Namen trug und schlachtete ihn. Er
warf sein Fleisch in den Fluß und sprach:
„Laßt dieses statt meines Kindes sein."
Eine Stimme wurde gehört aus der Tiefe, die sprach:
„Geh zu meinem Vater und meiner Mutter und sag* ihnen,
der Fluß habe mich geraubt."
An diesem Abend weinte das Kind der Tangalimlibo.
 
Annotationen