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Spahn, Martin; Veit, Philipp [Ill.]
Philipp Veit — Künstler-Monographien, Band 51: Bielefeld, Leipzig: Velhagen & Klasing, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.74632#0047
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Philipp Veit.

41

Cornelius schied zuerst aus Rom, Schadow
begleitete ihn, und darauf ließen sich sogar
die niederen Talente des Kreises nicht mehr
durch die nazareuischen Grundsätze binden.
Ein Schrei des Entsetzens entfuhr den
wenigen noch Getreuen, als Eggers 1819
in Rom selbst eine Studie nach einem
nackten weiblichen Modell zum Verkaufe
brachte.
Die Auflösung der Schule wirkte auf
die öffentliche Meinung sofort und angst-
erregend jäh zurück. Die Ausstellung im
April 1819 hatte nicht so erfolgreich ge-
endet, als sie hoffnungsvoll begonnen wurde.
Der österreichische Kaiser war teilnahmlos
geblieben, sein Botschafter den Deutschen
immer abgeneigt gewesen. Der Geschmack
der breiteren Gesellschaftsschichten hatte sich
ihnen erst oberflächlich zugewandt und be-
günstigte jetzt sogleich wieder ihre Neben-
buhler, die Franzosen und den Engländer
Lawrence. Im Vatikan zeigte sich selbst
ihr einziger Gönner bis dahin, Canova,
übelwollend. Auch Bartholdy, dem sie ihr
Berühmtwerden verdankten, kehrte sich aus
verletzter Eitelkeit von ihnen ab. Nur
die Unterstützung der Preu-
ßischen Gesandtschaft blieb
ihnen erhalten.
Aber sogar das Ver-
hältnis zu dieser änderte
sich im stillen bereits un-
günstig, Wenn nicht durch
die fortgesetzten Angriffe
Goethes auf die nazare-
nische Kunst, so durch die
Verschärfung des konfessio-
nellen Gegensatzes. Im
Herbst und Winter 1817
auf 1818, als das Re-
formationsfest die Gemüter
allenthalben erregte, scheinen
etliche Nazarener ihrem Un-
willen über das religiöse
Leben zu Rom Ausdruck
verliehen zu haben; es fielen
zugleich Worte der Hoch-
achtung für die aufrichtige
Frömmigkeit der evange-
lischen Volksgenossen. Abbs
Noirlieu, Franzose mit all
dem kirchlichen Übereifer und
der Unüberlegtheit der bour-
bonischen Reaktionszeit, ant-

wortete ihnen durch eine Brandschrift
gegen den Protestantismus. Sie blieb
auf manche der Nazarener, auch Philipp
Veit, nicht ohne Eindruck. Anderseits
verdroß es Niebuhr und Bunsen, daß der
Störenfried aus dem engeren Freundes-
kreise ihrer Schützlinge aufgestanden war.
So begann der Geist des nicht mehr sich
Verstehens, der die beiden christlichen Be-
kenntnisse daheim in den nächsten zwei
Jahrzehnten voneinander trennen sollte,
auch in diesem so friedlich gesinnten römi-
schen Kreise zu wirken.
Offensichtlich Hatten die Nazarener die
Stärke ihrer Stellung in der Kunstwelt
überschätzt. Sie hatten weder beachtet, daß
die Krisis im Innern ihrer Schule eintreten
mußte, noch wie weit ihre bisherigen Er-
folge bloß durch Gönnerschaft oder den
Reiz der Neuheit veranlaßt worden waren.
Es ist erklärlich, daß die endliche Erkennt-
nis sie auch in ihrem Schaffen störte. Daß
sie aber dadurch auf Jahre gelähmt wur-
den - — „als ob ein tötender Wind sie an-
geweht" Hätte —, dafür ist der letzte Grund
doch wohl in einer tiefer liegenden Ursache


Abb. 36. Konrad Eberhard. Bleistift-Zeichnung.
Mainz, Städt. Gemälde-Sammlung.
 
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