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Springer, Anton
Geschichte Österreichs seit dem Wiener Frieden 1809: in zwei Theilen (Band 1): Der Verfall des alten Reiches — Leipzig, 1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.29905#0520
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5)0 V-3. Die ständische Bewegung an den deutsch-slawischen Ländern.

Sturme im Glase Wasser zu vergleichen und an keinen Ernst glauberr
zu wollen. Mag man aber auch von den ständischen Versammlungew
noch so gering denken, die Nichtigkeit ihres Einflusses aus die allgemeine
politische Entwickelung Oesterreichs zugeben und die gangbare Behaup-
tung*i Lügen strasen, als ob die Opposition des böhmischen und nieder-
österreichischen Landtages die Revolution des Jahres 1848 hervorgerufen
hätte: so darf man doch nicht die ständischen Kämpse als völlig bedeu-
tuugslos mit Stillschweigen übergehen. Sie legen ein beredtes Zeugniß
ab von dem Verfalle des Reiches, von der gänzlichen Verlassenheit der
Regiernng und dem unwiderstehlichen Drange nach einem Wechsel der
Dinge. Nichts konnte die Unhaltbarkeit der bestehenden Zustände deut-
licher beweisen, als daß selbst in den todten ständischen Körpern der
Geist der Unruhe sich regte und auch Männer, die bei jeder politischen
Beränderung an ihren Privilegien verlieren mußten, auf die Beseitigung
des herrschenden Systems drangen.

Die Landtage der kleineren Provinzen, wie jene Oberösterreichs, Kärn-
thens, Schlesiens verhielten sich still und ruhig. „Sie blieben zwar, ver-
sichert der Verfasser der Genesis, nicht der Unzufriedenheit und dem
Wunsche nach Erweiterung ihres Einflusses und nach Veränderungen in
der Regierungsweise, aber doch immer jeder offenen Bewegung fremdB
Auch auf dem mährischen Landtage legten sich die Oppositionsgelüste,
nachdem ein Hauptsührer der Bewegungspartei von Brünn nach Prag
übersiedelte, um hier — die Rechte der Regierung zu vertheidigen. Desto
eisriger bemühten sich die böhmischen und niederösterreichischen Stände,
die öffentliche Aufmerksamkeit auf ihr Wirkeu zu lenken; das Gleiche ge-
lang auch den Tiroler Ständen, ohne daß sie sich darum beworben
hätten. Wahrend die niederösterreichischen Stände sichtlich dem Einflusse
der öffentlichen Meinung Wiens unterlagen, vorzugsweise dem politischen
Fortschritte huldigten, bei den böhmischen Ständen die Anglomanie, die
Eifersucht auf die steigende Macht der ungarischen Aristokratie, das
Streben nach Autonomie sich geltend machte: entwickelte im Tiroler
L.andtage die streng kirchliche Partei eine unbegrenzte Wirksamkeit, ge-
gewann hier die Lehre von der Unterordnung des Staates unter die
Kirche, in Wahrheit unter den Willen einzelner Eiferer, die sich eigen-
mächtig zn den ausschließlichen Trägern kirchlicher Gesinnung auswarfen —
eine immer größere Veröreitung.**) Am Hofe fand das Treiben der

Der Verfaffer der „Genests der Nevolution in Oesterreich" hat dieser Behaup-
tung in weiten Kreisen Anhänger verschafft.

Vortrefflich unterrichtet über die standischen Vorgänge in Tirol zeigt fich
Streiter in seinen „Studien eines Tirolers." Leipzig l862. Obgleich im Partei-
intereffe geschrieben. hat doch diese Schrist, welche auf genauer Q.uellcnkenntniß beruht,
hiftorischen Werth. Daß die Quellen kein günstiges Zeugniß sür Giovanelli und seine
Genoffen ablegen, kann Streiter nicht als Schuld angerechnet werden.
 
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