Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Springer, Anton
Raffael und Michelangelo (Band 1): Bis zum Tode Julius II. — Leipzig, 1883 (2. Aufl.)

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.1308#0145
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
IV. ROM UNTER JULIUS IL

dem päpstlichen Throne, den Magister Thomas Parentucelli aus Sarzana
unter dem Namen Nicolaus V. »Nachdem das Jubiläum 1450 unermess-
liche Goldmassen dem päpstlichen Schatze zugeführt hatte, begann der Papst
zu bauen und griechische und lateinische Bücher zu kaufen«, erzählt sein
Biograph Vespasiano. Homer war der unbekannte Gott, den man im
Vatican am höchsten verehrte, Cicero der einflussreichste Heilige. Der
ganze naive Enthusiasmus der Frührenaissance, welche so ehrlich und wahr-
haftig an die Wiedergeburt der Antike glaubte, wie die alten Christen
an das tausendjährige Reich, und der Phantasie unter den wirklichen
Lebensmächten das vornehmste Recht einräumte, spiegelt sich in den Ge-
danken, Wünschen und Plänen Nicolaus' V. wieder. Namentlich die Schil-
derung seiner Bauentwürfe hört sich an wie ein Capitel aus Leo Battista
Alberti's Buch über die Architektur, welches er in Marmor übertragen wollte.
Eine ideale Reüdenz lag in seinem Sinne, die sich an den Neubau der
Peterskirche anschliessen und in einem grossartigen Palaste gipfeln sollte.
Drei Strassen, von Kaufhallen und Loggien eingesäumt, führten nach dem
Plane zur Vaticanischen Basilica, über den Hallen befanden sich die Woh-
nungen der Curialen, nach allen Regeln der Schönheit, nach allen Gesetzen
der Gesundheitslehre errichtet. Der Palast selbst umfasst Gärten und Hallen,
Kapellen und Bibliotheken, einen Krönungssaal und sogar ein besonders
gelegenes Conclave für die Papst wähl. Die luftige Phantasie hatte an
diesen Plänen den grössten Antheil, sie blieben auch blosse Traumgebilde.
Nur der Entschluss eines Umbaues der Peterskirche, für die gelockerte Macht
der heiligen Traditionen so bezeichnend, erwies sich keimfähig und schlug
nach zwei Menschenaltern im Boden der Wirklichkeit lebendige Wurzeln.
Zur Hingabe der Italiener an die Antike, zur Begeisterung für das
Heldenalter der Nation geseilt sich ein anderer Zug, welcher der allge-
meinen Entwickelung entspricht, in Italien aber sofort ein besonderes
Gepräge empfängt. Ueberall im fünfzehnten Jahrhundert begegnen wir
dem Streben, den Staat, der immer mehr als Selbstzweck betrachtet
wurde, mit grösseren Rechten auszustatten, die Landesgrenzen zu erwei-
tern, die fürstliche Macht zu vermehren. Auch Italiens politisches Schicksal
trat um diese Zeit in eine entscheidende Wendung. Die kleinen Stadt-
republiken, die winzigen Tyrannenherrschaften verschwanden; grössere
Gebiete wurden, gewöhnlich gewaltsam, zu einer staatlichen Einheit ver-
bunden und erhielten sich selbst wieder nur durch die Eifersucht der
anderen auf gleiche Weise gebildeten Staaten. Ein System künstlichen
Gleichgewichtes wurde die Grundlage des nationalen Friedens. Wie
schwierig musste es da erscheinen, das Papstthum einzuordnen und dem
Oberhaupte der Kirche die fürstliche Stellung, welche dem »Knechte
 
Annotationen