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DIE RENAISSANCE IN ROM. 139
der Knechte« seit Menschengedenken eingeräumt war, zu wahren. Seit-
dem das Kaiserthum verfallen und zur Machtlosigkeit verurtheilt war,
hatte auch die päpstliche Würde ihr weltbeherrschendes Ansehen verloren.
Zum Glücke, dass der gläubige Sinn von dem Papstthum sich noch nicht
abgewendet hatte und sein materieller Besitz ihm eine gewisse Kraftent-
faltung inmitten der eifersüchtigen, in steter Fehde begrifsenen italienischen
Staaten gesbattete. Mit grosser Gewandtheit schüttelte es die mittelalter-
liche Tradition auch in politischer Beziehung ab, verwandelte sich in ein
weltliches italienisches Fürstenthum und betrieb mit leidenschaftlichem Eifer
die Gründung einer Hausmacht, ähnlich wie sie die anderen Dynastien in
Italien anstrebten. Es kamen die Zeiten eines Sixtus Rovere und Ale-
xander Borgia. Die Ziele dieser rasf- und ruhelosen Männer stimmten zwar
mit der allgemeinen Geistesrichtung überein, widersprachen aber in empfind-
lichster Weise den überlieferten und geheiligten Grundlagen des Papst-
thums. Es galt, die Familienmacht zu steigern; es gab aber keine
legitime Papstfamilie. Unter den Angehörigen der Päpste konnte man
nur Nepoten oder wohl gar Papstsöhne verstehen, Personen, deren angeb-
liches Recht, ja deren Dasein dem Papstthume geradezu Hohn sprach.
Eine so arge Verkehrung sittlicher Verhältnisse musste zum Fluche wer-
den, alle Handlungen arteten unter der Last derselben zu rohen Gewalt-
schlägen aus, das ganze Leben verlor den inneren Halt und den festen
Kern. Wenn man die Zustände und Sitten Roms im letzten Viertel des
sünfzehnten Jahrhunderts beobachtet, möchte man schier glauben, bei dem
Wegräumen des mittelalterlichen Schuttes sei die oberste Schichte der j
Antike, das römische Cäsarenthum, entblösst worden und mit diesem alle
bis dahin in die Erde gebannten Dämonen wieder frei geworden. Alle
Gräuel der Imperatorenzeit: Mord, Treubruch, Verschwörungen, Blut-
schande, blinder Taumel vom üppigsten Lebensgenusse zur frevelhaften
Verspottung aller Daseinsmächte, die entsetzliche Mischung von Wollust
und Grausamkeit tauchen empor und erfüllen die römische Luft. Die
Zeitgenossen dachten weniger streng von dem weltlichen Treiben der
Päpste, als wir Nachgeborenen. Dass aber die eingeschlagene Richtung
nicht zum Ziele führen könne, wurde auch ihnen bald klar. Die Nepoten
jedes folgenden Papstes waren die natürlichen Gegner der alten Nepoten,
durch jeden neuen Papst erschien der eben errungene Machtzuwachs in Frage
gestellt. Da war es ein grosser Gedanke und der Gedanke wurde zu einer
weltgeschichtlichen That, als der am 1. November 1503 neu gewählte Papst
Julius IL Rovere als Erben der politischen Macht nicht wechselnde Per-
sonen, sondern eine dauernde Institution, nicht Nepoten, sondern den Kirchen-
staat selbst einsetzte. Er brach nicht mit der politischen Richtung seiner
 
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