IV.
Rom unter Julius II.
|oma caput mundi« lautete Gruss und Zuruf in den Jahr-
hunderten des Mittelalters, selbst in solchen Zeiten, als der
Papst vor den kleinen Stadtbaronen zitterte und umgeben
von einem Bettelvolke inmitten eines Trümmerhaufens häuste.
Mochte aber auch Rom in den Augen der mittelalterlichen
Chrislen als die Hauptstadt der Welt glänzen, zu einer Hauptstadt Italiens
erhob es sich erst seit dem fünfzehnten Jahrhundert. Als das Leben in Italien
aus den Schranken selbstgenügsamer Dürftigkeit trat, sich genussreicher,
weitumfassender gestaltete, als in den Parteikämpfen das Ansehen kräftiger
Persönlichkeiten slieg und grosse Gedanken in jugendlich schwungvoller
Sprache den Einzelnen anssogen, da richtete sich der Blick auch auf die
Vergangenheit zurück, deren Ruhmesschimmer niemals völlig verdunkelt
war. Dass man zu den Nachkommen der antiken Helden zähle, war fester
Glaube, man wollte aber auch die volle Erbschaft derselben antreten.
Nirgends leuchtete der Glanz der Vorfahren so mächtig, nirgends wurde die
Sehnsucht nach der Wiederkehr ähnlicher Zeiten so lebendig wie auf dem
Schauplatz ihrer Grossthaten. Wenn der Italiener des vierzehnten Jahr-
hunderts von der Höhe des Capitols auf die Ruinen des alten Rom herab-
blickte, tauchte, durch den Gegensatz geweckt, das Bild der früheren Herr-
lichkeit in seiner Phantasie auf. Grosse Erinnerungen wechselten mit kühnen
Hofsnungen und noch kühneren Träumen. In den Städten, an den Höfen,
in Gelehrtenkreisen, unter Künstiern, überall erschien das klassische Alter-
thum wie zu neuem Leben auferstehend und wurde dem Genius Roms ge-
huldigt. Am spätesten in Rom selbst Hier lag nicht allein der wirkliche,
greifbare Schutt am höchsten, hier bildete auch die kirchliche Tradition
des Mittelalters, in allem den antiken Anschauungen entgegengesetzt, ein
schwer zu hebendes Hinderniss. Erst das Exil der Päpste, die lange papst-
lose Zeit in Rom mit ihrer Aussösung aller höheren staatlichen Ordnung
brach dasselbe. Als die Päpste aus Avignon nach Rom zurückkehrten,
sahen sie die mittelalterlichen Ueberlieferungen erschüttert, die Renaissance-
bewegung ssuthend und über das ganze Land widerstandslos sich ausbrei-
tend. Auch sie waren gezwungen, derselben zu folgen. Die Mitte des fünf-
zehnten Jahrhunderts begrüsst bereits einen begeisterten Humanisten aus
?
Rom unter Julius II.
|oma caput mundi« lautete Gruss und Zuruf in den Jahr-
hunderten des Mittelalters, selbst in solchen Zeiten, als der
Papst vor den kleinen Stadtbaronen zitterte und umgeben
von einem Bettelvolke inmitten eines Trümmerhaufens häuste.
Mochte aber auch Rom in den Augen der mittelalterlichen
Chrislen als die Hauptstadt der Welt glänzen, zu einer Hauptstadt Italiens
erhob es sich erst seit dem fünfzehnten Jahrhundert. Als das Leben in Italien
aus den Schranken selbstgenügsamer Dürftigkeit trat, sich genussreicher,
weitumfassender gestaltete, als in den Parteikämpfen das Ansehen kräftiger
Persönlichkeiten slieg und grosse Gedanken in jugendlich schwungvoller
Sprache den Einzelnen anssogen, da richtete sich der Blick auch auf die
Vergangenheit zurück, deren Ruhmesschimmer niemals völlig verdunkelt
war. Dass man zu den Nachkommen der antiken Helden zähle, war fester
Glaube, man wollte aber auch die volle Erbschaft derselben antreten.
Nirgends leuchtete der Glanz der Vorfahren so mächtig, nirgends wurde die
Sehnsucht nach der Wiederkehr ähnlicher Zeiten so lebendig wie auf dem
Schauplatz ihrer Grossthaten. Wenn der Italiener des vierzehnten Jahr-
hunderts von der Höhe des Capitols auf die Ruinen des alten Rom herab-
blickte, tauchte, durch den Gegensatz geweckt, das Bild der früheren Herr-
lichkeit in seiner Phantasie auf. Grosse Erinnerungen wechselten mit kühnen
Hofsnungen und noch kühneren Träumen. In den Städten, an den Höfen,
in Gelehrtenkreisen, unter Künstiern, überall erschien das klassische Alter-
thum wie zu neuem Leben auferstehend und wurde dem Genius Roms ge-
huldigt. Am spätesten in Rom selbst Hier lag nicht allein der wirkliche,
greifbare Schutt am höchsten, hier bildete auch die kirchliche Tradition
des Mittelalters, in allem den antiken Anschauungen entgegengesetzt, ein
schwer zu hebendes Hinderniss. Erst das Exil der Päpste, die lange papst-
lose Zeit in Rom mit ihrer Aussösung aller höheren staatlichen Ordnung
brach dasselbe. Als die Päpste aus Avignon nach Rom zurückkehrten,
sahen sie die mittelalterlichen Ueberlieferungen erschüttert, die Renaissance-
bewegung ssuthend und über das ganze Land widerstandslos sich ausbrei-
tend. Auch sie waren gezwungen, derselben zu folgen. Die Mitte des fünf-
zehnten Jahrhunderts begrüsst bereits einen begeisterten Humanisten aus
?