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Studien und Skizzen zur Gemäldekunde — 4.1918/​1919

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Frimmel, Theodor von: Ein mählersches Bild mit einem vermutlichen Bildnis Beethovens
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https://doi.org/10.11588/diglit.52777#0065
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des Wasserfalles oder des Wasserwehrs ein Steg führte, der seiner Zeit ab-
getragen und nicht wieder ersetzt wurde.“ So schrieb mir Herr Ludwig
Dux. Wir haben also einen Beethoven im Laxenburger Park vor uns.
Das paßt nun vorzüglich zu einer Vermutung, die längst schon vor dem
Bekanntwerden der vorliegenden Mählerschen Landschaft einmal geäußert
worden ist, und zwar in der Studie „Beethoven in Wiener-Neudorf“ („Beet-
hoven-Forschung“, Bd. I, S. 78). Laxenburg und Wiener-Neudorf gehören
zur nahen Umgebung Mödlings, wo Meister Beethoven die Sommer der
Jahre 1818, 1819 und 1820 zugebracht hat. Der Meister liebte weitausge-
dehnte Spaziergänge, und ich vermutete längst, daß er von Mödling aus
über Wiener-Neudorf hinaus bachabwärts auch mindestens bis Biedermanns-
dorf und dann bis Laxenburg gelaufen wäre.
Nehmen wir das Wahrscheinliche an, daß auf dem Bild bei Dux wirk-
lich Beethoven dargestellt ist, so würde die Darstellung bestens in die Zeit
der Mödlinger Sommer (1818—1820) passen.*) Damals war der Meister
gegen 50 Jahre alt. Eine Stelle mit schütterem Haarwuchs am Hinterhaupt,
wie sie mitten in dem dunklen Wust der übrigen Behaarung auffällt, ist
zwar in dieser Ansicht bei Beethoven nicht überliefert, doch läßt sich die
beginnende Glatze mit dem zusammenreimen, was man an den Bildnissen
des sterbenden Beethoven bemerken kann.**) Die Kleidung der Figur auf
dem Mählerschen Bilde, vom blauen Rock und den gelblichen Hosen bis
auf die Halbschuhe herunter, findet reichliche auffallende Analoga auf
anderen Bildnissen Beethovens in ganzer Figur. Es ist keinerlei Grund vor-
handen, die Vermutung abzuweisen, daß wir es auf dem Mählerschen Bild-
chen mit einem Beethoven-Bildnis zu tun haben. Ich konnte mich in diese
Vorstellung ganz einleben. Heiß gelaufen vom weiten Weg, hat der stets
temperamentvolle Meister den Hut abgenommen. Der kleine Wasserfall,
dessen starkes Rauschen der Schwerhörige doch noch vernimmt, fesselt ihn
wohl durch das wechselnde Spiel der Lichter. Das Geschaute und Erlauschte
verwandelt sich (wir haben freilich keine Ahnung, wie) in Tongebilde, und
es gehört nicht viel Einbildungskraft dazu, sich den Meister bald danach im
Schatten sitzend oder liegend vorzustellen, wie er musikalische Gedanken
zu Papier bringt. Dr. Th. v. Frimmel.

*) In den Jahren 1818 und 1819 bewohnte Beethoven in Mödling das Hafner-
haus in der Hauptstraße, was längst bekannt ist. 1820 war er Mieter im damals Speer-
sehen (heute Helfschen) Haus der Mödlinger Achsenau. Diese Wohnung Beethovens
ist schon vor Jahren durch mich wieder aufgefunden und mit den Überlieferungen im
Hause Helf veröffentlicht worden. Seither habe ich nach Urkunden nachweisen können,
daß Beethoven die Absicht hatte, in Mödling ein Haus anzukaufen, wobei neben
anderen auch das Valzachische Haus in der Hauptstraße (jetzt 81) und das große
Müllnersche Haus als passend bezeichnet wurden.
**) Der ehedem so reichliche Haarwuchs ist schon merklich gelichtet. Die
Teltscherschen Zeichnungen mit Beethoven auf dem Sterbelager sind zuerst abgebildet
und besprochen in den „Blättern für Oemäldekunde“ und danach, aber ohne Quellen-
angabe, schon mehrmals wieder benutzt worden.
 
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