Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
des Gewächses zu geben. VieEeicht haben Cranach auch wesenthch
ältere Werke bayerischer Malerei auf seinem Wege geholfen. Die
derben Körper und wEden Bewegungen erinnern wohl nicht nur
infolge einer zufälligen Ähnlichkeit an die Gestalten der Tegemseer
Tabula magna (München und Berlin), vielmehr möchten wir mei-
nen, daß solche BEder Cranach ein wegweisendes Erlebnis gewesen
sind. Dafür bietet ein kleines Täfelchen, ein vielfiguriger Kalvarien-
berg, von einem bayerischen Maler des mittleren 15. Jahrhunderts,
ji einen aufschlußreichen Beweis (Berchtesgaden, Schloß). Wir wol-
len nicht behaupten^ daß Cranach diese DarsteHung eines volkrei-
chen Kalvarienberges gesehen hat, aber daß eine ähnliche seine
Phantasie beschäftigt und bei der Konzeption der drei Kreuzigungs-
darsteEungen mitgesprochen hat, das scheint uns nicht zu bezwei-
feln zu sein. Die Gesamtanlage, die SteEung der Kreuze, die Ord-
nung der Figuren, aber auch Einzelheiten wie Gestalt und Kopf des
Johannes, wie der knorpelige Faltenstil, aE das ist so verwandt, daß
man wohl einen Zusammenhang in dieser Richtung voraussetzen
darf.
In diesen ersten Jahren entstanden auch die beiden, ehemals wohl
zum selben Altar gehörenden Tafeln mit der Stigmatisation des
heEigen Franziskus und dem einen Stifter patronisierenden heiEgen
Valentin (Wien, Akademie der bEdenden Künste) sowie die 1502
60 datierte des sich kasteienden Hieronymus (Wien, Kunsthistorisches
Museum), weiterhin der leidenschaftlich-dramatische Holzschnitt
9 mit Christi Gebet am Ölberg und der des heEigen Stephanus, der
ebenfaEs 1502 datiert von naturaHstischen Baumstämmen und sich
daran emporwindendem Teufelsgetier umrahmt wird, endlich die
Zeichnung einer törichten Jungfrau (Nürnberg), die 1504 datierte
des heEigen Martin mit dem Bettler (München) und die des Johan-
73 nes Baptista in einer wüsten Gebirgslandschaft (LEle).
Zumal in dieser Zeichnung und im Ölberg-Holzschnitt hat Cranach
seinen StB zu einem gewaltigen Fortissimo gesteigert. Christus kniet
mit weit ausgebreiteten Armen vor einer Felsenhöhle, deren Dunkel
ihn fast wie eine Glorie umschEeßt. Die wenigen Faltenformen des
Gewandes sind in einer temperamentvoEen, großzügigen Weise
derart geführt, daß sie die ausgreifende Körpergebärde steigernd
unterstreichen. Unten sind die drei Apostel in die Felsen geschmiegt,
so daß das Auge sie nur langsam zu isoEeren vermag, links windet
sich, den Zug der Häscher überschneidend, ein Baum empor. Natur
und Figuren sind vöEig eins. Sie sind es auch in der Zeichnung des
Täufers in der Wüste, den Cranach als einen zu einem Waldschrat

gewordenen Einsiedler im heimischen Waldgebirge schBderte. Eine
fast erschreckend gewaltige Existenz hat er ihm gegeben. In hefti-
gen, stoßenden Bewegungen Eegt der Mantel um den Unterkörper,
in kleinteiEgen, krausen Häkchen umspielen Haar und Bart das
Gesicht, umspielt das FeE die Brust, mit zuckenden Strichen ist die
Landschaft skizziert. Solche dramatische Interpretation, solche
dynamische Formgestaltung läßt den Cranach dieser Jahre Mathis
Gothardt-Neithardt verwandt erscheinen.
In den beiden Heüigentafeln sind die Landschaften noch beschei-
den, ein aus mehreren versatzstückartigen Partien gebBdeter Hin-
tergrund. Reifer ist die Tafel des sich kasteienden Hieronymus. Mit
ihr hat Cranach der deutschen Kunst die erste eine Figur umschEe-
ßende Landschaft geschenkt. Die Bäume und Büsche des Vorder-
grundes gewähren DurchbEcke auf ein Klösterchen, auf ein be-
wachsenes Hügelgelände, auf einen Felsen. Sie bBden nur andeu-
tend ein Kontinuum, die Zusammenhänge sind noch ungewiß, wie
der Körper des HeEigen noch unklar erfaßt ist, aber der WEle des
Künstlers wird deutEch, und stimmungsmäßig sind Figur und Na-
tur schon eine Einheit. Wir wiesen daraufhin, daß Dürers Hierony-
mus-Kupferstich Cranach angeregt haben dürfte. Auch für die reiche
Waldlandschaft war Dürer eine QueEe, aber anders hat er Land-
schaften von ähnlicher Intensität wohl in AquareEen oder Holz-
schnitten, nie aber im Gemälde gegeben. Und auch solche Intimität
war Dürer fremd; ein Vergleich mit der gewiß großartigen, aber
kühlen Landschaft in der Münchner Beweinung, einer reinen Hin-
tergrundslandschaft übrigens, steEt das Neue klar heraus, das Cra-
nachs BEd bietet. Ihm war Vorbehalten, die erste mit der Figur sich
verbindende Landschaft, eine intime Waldlandschaft voE köstlichen
Reichtums, zu malen.
Danach scheint seine Entwicklung zweistimmig geworden zu sein.
1503 malte er die große Kreuzigung der Alten Pinakothek, eine 6,63
wahrhaft heroische Komposition, und 1504 sodann die Ruhe auf
der Flucht des BerEner Museums, eine IdyEe. Es war wohl notwen- 7
dig, daß seine Form sich zuvor festigte und disziplinierte, dann erst
vermochte er der Donaumalerei ohne Gefahr die IdyEe zu schenken.
Wider aEe Konvention hat Lucas Cranach im Münchner BBde die
Kreuze so angeordnet, daß wir das Drama von Golgatha gewisser-
maßen von der Seite nahend erleben. Wir sehen Christus im Profil
ziemEch nahe am rechten BBdrand am Kreuz hängen, Enks aber
stehen die Kreuze der Schächer dicht hintereinander. Der vordere
ist vom Kreuzesstamm ziemEch verdeckt, von seinem Kopf sind

//
 
Annotationen