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II. DER FRIEDHOF S DES NEUEN REICHES
deckten Mittelgang zwischen den beiden in den Hof mündenden Türen. An den Hof schließt
sich der Umgang, der hier, anders als bei den meisten Beispielen, den Kapellenbau von vier
Seiten umgibt und sich zwischen der Trennungswand zum Hof und der Eingangswand der
Kapelle zu einem Raum von etwa 2,0 m Tiefe erweitert. Da sich schwer vorstellen läßt, daß
der Tote, nachdem er unter dem gedeckten Gang im Hofe hindurch getragen war, noch ein
Stück Wegs unter freiem Himmel bei Überquerung des erweiterten Teils des Umgangs zu-
rücklegen mußte, ehe die Kapelle ihn aufnahm, so ist es wahrscheinlich, daß hier der Um-
gang unter einem Dach gelegen hat. Die Kapelle hätte also gleichsam in einer gedeckten
Halle gestanden ähnlich der Kapelle der Amenirdis im Tempelbezirk von Medinet Habuf1).
Der Grundriß des Grabes S 66 zeigt eine vierteilige Anlage. Dem Komplex aus Hof,
Kapelle und Umgang ist ein weiterer Raum vorgelagert, der eine Grundfläche von 5,5 m
x 6,0 m einschließt. Die verhältnismäßig schwache, nur einen Stein starke Umfassungs-
mauer kennzeichnet diesen Teil der Anlage als einen offenen Hof. Der Zugang liegt in der
östlichen Schmalwand, der Eingangstür zu der Grabanlage im engeren Sinne achsial gegen-
über. Der an diesen ,,Vor“-hof anschließende Bauteil, der bei den bisher beschriebenen Bei-
spielen dem Hof entspricht, läßt bei diesem Grabe eine andersartige Ausbildung erkennen:
die Mauern, die ihn einschließen, geben den Widerlagsmauern, die das Gewölbe des an-
schließenden Kapellenraums tragen, an Stärke nichts nach. Da der Raum in seiner Tiefen-
richtung die Breite der überwölbten Kultkammer nur um ein Geringes übertrifft, so darf
angenommen werden, daß auch dieser Raum mit einer Tonne überwölbt war, deren Scheitel-
linie in Richtung seiner Längsachse verlief, mithin quer zur Scheitellinie des die Kult-
kammer überdeckenden Gewölbes. Zweifelsfrei aber deuten die starken Mauern auf ein
Dach, ein gewölbtes oder flaches, das diesen Raum, den Hof des üblichen Schemas, zu einer
geschlossenen Halle macht. Der bei diesem Grab zum Ausdruck kommende Gegensatz
zwischen dem deutlich nach seiner Tiefenrichtung entwickelten, das Kernstück der Ge-
samtanlage bildenden Kapellenraum und dieser ihm quer vorgelagerten Halle erinnert ein-
dringlich an das Grundrißschema der Privatgräber der 18. Dynastie in Theben mit ihrem
Wechsel von Querraum zu tiefem Raum und mittelbar auch an das des ägyptischen Wohn-
hauses (2). Entsprechend der gediegenen Ausführung dieses Grabes werden die Wand-
flächen der Halle wie die der Kapelle farbigen Schmuck getragen haben; ihre Vorrichtung
mit einer Putzschicht läßt darauf schließen. Der sorgfältigen Bearbeitung der Türpfosten
in Werkstein wird die dekorative Ausstattung des Übrigen entsprochen haben.
Im Unterschied zu andern Anlagen hat der Umgang dieses Grabes eine beträchtliche
Breite (1,10 m). Ein regelrecht ausgebildeter Schacht mit Grabkammer in seinem südlichen
Arm weist auf seine Bestimmung für Nebenbestattungen hin; daß er begangen worden ist,
zeigt die neben der Tür zur Kapelle vorgesehene Eingangsöffnung. Ihre nach der Halle zu
verputzte Verschlußmauer beweist jedoch, daß er für gewöhnlich verschlossen war. Die
Frage, ob auch er überdacht war, mag unerörtert bleiben: die technischen Voraussetzungen
für ein Dach sind gegeben, doch dürfte die Entscheidung auch hier von den Erwägungen
abhängen, wie sie ähnlich für Grab S 41 gelten (Wiederherstellung nach S 66, Blatt 44).
(q Hölscher, Medinet Habu, Morgenland Heft 24 (1933), Tafel 29.
(2) Als Beispiel vergleiche die Grundrisse der Thebanischen Gräber 52, 53, 56, 100 u. a. m. bei Porter-
Moss, Theban Necropolis.
II. DER FRIEDHOF S DES NEUEN REICHES
deckten Mittelgang zwischen den beiden in den Hof mündenden Türen. An den Hof schließt
sich der Umgang, der hier, anders als bei den meisten Beispielen, den Kapellenbau von vier
Seiten umgibt und sich zwischen der Trennungswand zum Hof und der Eingangswand der
Kapelle zu einem Raum von etwa 2,0 m Tiefe erweitert. Da sich schwer vorstellen läßt, daß
der Tote, nachdem er unter dem gedeckten Gang im Hofe hindurch getragen war, noch ein
Stück Wegs unter freiem Himmel bei Überquerung des erweiterten Teils des Umgangs zu-
rücklegen mußte, ehe die Kapelle ihn aufnahm, so ist es wahrscheinlich, daß hier der Um-
gang unter einem Dach gelegen hat. Die Kapelle hätte also gleichsam in einer gedeckten
Halle gestanden ähnlich der Kapelle der Amenirdis im Tempelbezirk von Medinet Habuf1).
Der Grundriß des Grabes S 66 zeigt eine vierteilige Anlage. Dem Komplex aus Hof,
Kapelle und Umgang ist ein weiterer Raum vorgelagert, der eine Grundfläche von 5,5 m
x 6,0 m einschließt. Die verhältnismäßig schwache, nur einen Stein starke Umfassungs-
mauer kennzeichnet diesen Teil der Anlage als einen offenen Hof. Der Zugang liegt in der
östlichen Schmalwand, der Eingangstür zu der Grabanlage im engeren Sinne achsial gegen-
über. Der an diesen ,,Vor“-hof anschließende Bauteil, der bei den bisher beschriebenen Bei-
spielen dem Hof entspricht, läßt bei diesem Grabe eine andersartige Ausbildung erkennen:
die Mauern, die ihn einschließen, geben den Widerlagsmauern, die das Gewölbe des an-
schließenden Kapellenraums tragen, an Stärke nichts nach. Da der Raum in seiner Tiefen-
richtung die Breite der überwölbten Kultkammer nur um ein Geringes übertrifft, so darf
angenommen werden, daß auch dieser Raum mit einer Tonne überwölbt war, deren Scheitel-
linie in Richtung seiner Längsachse verlief, mithin quer zur Scheitellinie des die Kult-
kammer überdeckenden Gewölbes. Zweifelsfrei aber deuten die starken Mauern auf ein
Dach, ein gewölbtes oder flaches, das diesen Raum, den Hof des üblichen Schemas, zu einer
geschlossenen Halle macht. Der bei diesem Grab zum Ausdruck kommende Gegensatz
zwischen dem deutlich nach seiner Tiefenrichtung entwickelten, das Kernstück der Ge-
samtanlage bildenden Kapellenraum und dieser ihm quer vorgelagerten Halle erinnert ein-
dringlich an das Grundrißschema der Privatgräber der 18. Dynastie in Theben mit ihrem
Wechsel von Querraum zu tiefem Raum und mittelbar auch an das des ägyptischen Wohn-
hauses (2). Entsprechend der gediegenen Ausführung dieses Grabes werden die Wand-
flächen der Halle wie die der Kapelle farbigen Schmuck getragen haben; ihre Vorrichtung
mit einer Putzschicht läßt darauf schließen. Der sorgfältigen Bearbeitung der Türpfosten
in Werkstein wird die dekorative Ausstattung des Übrigen entsprochen haben.
Im Unterschied zu andern Anlagen hat der Umgang dieses Grabes eine beträchtliche
Breite (1,10 m). Ein regelrecht ausgebildeter Schacht mit Grabkammer in seinem südlichen
Arm weist auf seine Bestimmung für Nebenbestattungen hin; daß er begangen worden ist,
zeigt die neben der Tür zur Kapelle vorgesehene Eingangsöffnung. Ihre nach der Halle zu
verputzte Verschlußmauer beweist jedoch, daß er für gewöhnlich verschlossen war. Die
Frage, ob auch er überdacht war, mag unerörtert bleiben: die technischen Voraussetzungen
für ein Dach sind gegeben, doch dürfte die Entscheidung auch hier von den Erwägungen
abhängen, wie sie ähnlich für Grab S 41 gelten (Wiederherstellung nach S 66, Blatt 44).
(q Hölscher, Medinet Habu, Morgenland Heft 24 (1933), Tafel 29.
(2) Als Beispiel vergleiche die Grundrisse der Thebanischen Gräber 52, 53, 56, 100 u. a. m. bei Porter-
Moss, Theban Necropolis.