Daß es Michelangelo aber schon früh gelungen war, nicht nur seiner Kunst,
sondern auch seiner Person wohlwollende und einflußreiche Freunde zu <je-
winnen, beweist die wahrhaft väterliche Fürsorge des Stadtoberhauptes von
Florenz, Pier Soderini, für ihn, als es galt, das Verhältnis zu Julius II. wieder-
herzustellen, dem Michelangelo, getäuscht in seinen Hoffnungen, verzweifelt
über das Mißlingen seiner künstlerischen Pläne, einfach aus Rom davongelaufen
war. Aus den vielen Briefen und Empfehlungen, mit denen Pier Soderini seinen
Schützling zum zornigen Papst nach Bologna entließ, verdient wenigstens das
Schreiben vom 27. November 1506 genannt zu werden, das an den Bruder
Soderinis, den Kardinal von Volterra, gerichtet war und eigentlich die erste
tiefere Erkenntnis und Würdigung darstellt, die Michelangelos Person und
Kunst überhaupt zu seiner Zeit gefunden haben:1
„Der Überbringer dieses Schreibens ist der Bildhauer Michelangelo, der nach
dort gesandt wird entsprechend den Wünschen Seiner Heiligkeit unseres Herrn.
Wir versichern Eure Herrlichkeit, daß er ein braver junger Mann ist, in seiner
Kunst einzig in Italien, ja vielleicht in der ganzen Welt. Wir können ihn nicht
angelegentlich genug empfehlen. Er ist von Natur so beschaffen, daß man mit
guten Worten und Freundlichkeit alles von ihm erlangen kann. Man braucht
ihm nur Güte und Wohlwollen zu zeigen, und er leistet Wunderbares. Er hat ein
Gemälde angefangen für die Öffentlichkeit, das etwas ganz Außerordentliches
zu werden verspricht, und auch die zwölf Apostel, jeder 41/2 Ellen hoch, werden
ausgezeichnet ausfallen. Also noch einmal, wir empfehlen ihn Eurer Herrlichkeit
auf das angelegentlichste.“
Wie manche Katastrophen wären vermieden worden, wie vieles würde sich
freundlicher gestaltet haben in Michelangelos schicksalüberschattetem Leben,
wäre er mehr Menschen begegnet, die seine Eigenart so zu würdigen verstan-
den wie Pietro Soderini, der noch als Verbannter in Rom bis an sein Ende mit
seinem vollbewährten Schützling von einst in den freundschaftlichsten Bezie-
hungen geblieben ist2.
1 Gaye, Carteggio II, p. 91/92.
2 Am 7. Juni 1518 erbat Piero Soderini Michelangelos Rat für die Aufstellung eines Altars in San Silvestro
in Capite zu Ehren Johannes des Täufers.
Die Gattin Soderinis teilte die Wertschätzung ihres Gemahls für Michelangelo: „e persona tanto da ben costu-
mato et gentile et tale, ehe non crediamo ehe sia hogi in Europa homo simile a lui,“ schrieb sie am 15. Juli 1516
aus Rom an ihren Bruder Don Lorenzo Malaspina. (Frey, Sammlung ausgewählter Briefe 1899, p. 28.)
Niccolo Soderini, ein Neffe Pieros, bat Michelangelo am 13. Oktober 1521, bei seinem Neugeborenen Pate zu
stehen. Frey, ebendort, p. 181.
Berühmt waren die Verse auf den Tod des nicht sehr willensstarken Mannes, über dessen Charakter als Haupt der
Regierung von Florenz Francesco Guicciardini eine sehr absprechende Kritik gefällt hat. (Vgl. Landucci,
ed. Marie Herzfeld II, 232):
La notte ehe mori Pier Soderini
l’alma n’andö dell’ Inferno alla bocca:
sondern auch seiner Person wohlwollende und einflußreiche Freunde zu <je-
winnen, beweist die wahrhaft väterliche Fürsorge des Stadtoberhauptes von
Florenz, Pier Soderini, für ihn, als es galt, das Verhältnis zu Julius II. wieder-
herzustellen, dem Michelangelo, getäuscht in seinen Hoffnungen, verzweifelt
über das Mißlingen seiner künstlerischen Pläne, einfach aus Rom davongelaufen
war. Aus den vielen Briefen und Empfehlungen, mit denen Pier Soderini seinen
Schützling zum zornigen Papst nach Bologna entließ, verdient wenigstens das
Schreiben vom 27. November 1506 genannt zu werden, das an den Bruder
Soderinis, den Kardinal von Volterra, gerichtet war und eigentlich die erste
tiefere Erkenntnis und Würdigung darstellt, die Michelangelos Person und
Kunst überhaupt zu seiner Zeit gefunden haben:1
„Der Überbringer dieses Schreibens ist der Bildhauer Michelangelo, der nach
dort gesandt wird entsprechend den Wünschen Seiner Heiligkeit unseres Herrn.
Wir versichern Eure Herrlichkeit, daß er ein braver junger Mann ist, in seiner
Kunst einzig in Italien, ja vielleicht in der ganzen Welt. Wir können ihn nicht
angelegentlich genug empfehlen. Er ist von Natur so beschaffen, daß man mit
guten Worten und Freundlichkeit alles von ihm erlangen kann. Man braucht
ihm nur Güte und Wohlwollen zu zeigen, und er leistet Wunderbares. Er hat ein
Gemälde angefangen für die Öffentlichkeit, das etwas ganz Außerordentliches
zu werden verspricht, und auch die zwölf Apostel, jeder 41/2 Ellen hoch, werden
ausgezeichnet ausfallen. Also noch einmal, wir empfehlen ihn Eurer Herrlichkeit
auf das angelegentlichste.“
Wie manche Katastrophen wären vermieden worden, wie vieles würde sich
freundlicher gestaltet haben in Michelangelos schicksalüberschattetem Leben,
wäre er mehr Menschen begegnet, die seine Eigenart so zu würdigen verstan-
den wie Pietro Soderini, der noch als Verbannter in Rom bis an sein Ende mit
seinem vollbewährten Schützling von einst in den freundschaftlichsten Bezie-
hungen geblieben ist2.
1 Gaye, Carteggio II, p. 91/92.
2 Am 7. Juni 1518 erbat Piero Soderini Michelangelos Rat für die Aufstellung eines Altars in San Silvestro
in Capite zu Ehren Johannes des Täufers.
Die Gattin Soderinis teilte die Wertschätzung ihres Gemahls für Michelangelo: „e persona tanto da ben costu-
mato et gentile et tale, ehe non crediamo ehe sia hogi in Europa homo simile a lui,“ schrieb sie am 15. Juli 1516
aus Rom an ihren Bruder Don Lorenzo Malaspina. (Frey, Sammlung ausgewählter Briefe 1899, p. 28.)
Niccolo Soderini, ein Neffe Pieros, bat Michelangelo am 13. Oktober 1521, bei seinem Neugeborenen Pate zu
stehen. Frey, ebendort, p. 181.
Berühmt waren die Verse auf den Tod des nicht sehr willensstarken Mannes, über dessen Charakter als Haupt der
Regierung von Florenz Francesco Guicciardini eine sehr absprechende Kritik gefällt hat. (Vgl. Landucci,
ed. Marie Herzfeld II, 232):
La notte ehe mori Pier Soderini
l’alma n’andö dell’ Inferno alla bocca: