Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Steinmann, Ernst; Michelangelo [Hrsg.]; Lewald, Theodor [Gefeierte Pers.]
Michelangelo im Spiegel seiner Zeit — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 8: Leipzig: Poeschel & Trepte, 1930

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.47058#0027
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
schwer genommen hast, ohne zu bedenken, daß in einem solchen Unternehmen
noch ganz andere Zufälle sich ereignen mußten. Wirklich große Männer mit
einer starken Seele werden im Unglück noch größer und tapferer. Vergiß nicht,
daß ich stets bereit bin, Dir zu helfen, wie ich es bisher getan“1.
Aber Michelangelo war, wie sein Freund Sebastiano del Piombo mit Recht be-
hauptete, nicht nur sich selbst der größte Feind, sondern er besaß auch Eigen-
schaften genug, sich andere zu Feinden zu machen. „Vergeßt nicht Gevatter“,
schrieb ihm am 24. März 1523 einer seiner Getreuesten in Rom, Leonardo
Sellajo, „daß Ihr viele Feinde habt, die über Euch reden, was sie können“2. Und
noch am 1 o. März 1526- wenige Monate vor seinem Tode - konnte dieser lang-
erprobte Freund nicht genug berichten von den Intrigen, die gegen Michelangelo
am päpstlichen Hofe gesponnen wurden, indem man behauptete, der Künstler
habe zu arbeiten aufgehört3. Und wie sollte man solche Zungen zum Schweigen
bringen, da Michelangelo niemandem den Eintritt in seine Werkstatt gestattete?
„Nessuno vede niente!“ klagte Sellajo.
Nach den furchtbaren Jahren des Sacco di Roma und des Assedio di Firenze
setzte Sebastiano del Piombo die Berichterstattung von Rom nach Florenz fort.
Die Welt hatte sich verändert, aber die Menschen waren dieselben geblieben und
Michelangelos grimmiger Humor scheint sich noch unter dem Druck der Ver-
hältnisse verschlimmert zu haben. „Der Papst ist ärgerlich, daß Ihr Euch soviel
aus dem Geschwätz der Leute macht“, antwortete Sebastiano del Piombo auf
einen der Klagebriefe aus Florenz am 16. Juni 1531, „die, wenn es ihnen an
Stoff fehlt. Seine Heiligkeit zu unterhalten, von Michelangelo und seinen Werken
zu reden beginnen und als Sachverständige und Kunstkenner Dinge zutage
bringen, daß die Steine bersten könnten“4.
Was wußte man bei solchen Gelegenheiten nicht alles zu erzählen! Michelangelo
ließe den Herzog Giuliano in der Medici-Kapelle von Montorsoli ausführen, der
Christus in der Minerva sei von Pietro Urbano so übel zugerichtet worden, daß
von Michelangelos Hand nichts mehr übriggeblieben sei, Michelangelo beab-
sichtige, das Haus am Macell de’ Corvi zu verkaufen, das er als Zahlung auf das
1 Frey, Sammlung ausgewählter Briefe, p. 117, vgl. auch p. 206, 208, 212, 254, und Carlo Ridolfi in Bibliofilia
XXIX (1927), p. 212/3. Der hier publizierte Brief Salviatis wurde bereits von Bottari, Lettere VI, p. 30/2, 32/33,
gedruckt. „Jacopo Salviati fu sempre onoratissimo e religioso et amava meglio la libertä ehe la tirannide per la
sua natura“, schreibt Giovani Battista Busini in der Römischen Chronique scandaleuse, die er Benedetto Varchi
als Würze seiner Briefe „Sopra l’assedio di Firenze“ zugehen ließ. Ed. Gaetano Milanesi, Firenze 1860, p. 89.
Eine Fülle von Notizen über Jacopo Salviati und seine Söhne gibt Agostino Ademollo in Marietta de’ Ricci
ovvero Firenze al tempo dell’ assedio, Firenze 1845, IV, p. 1209.
2 K. Frey, Sammlung ausgewählter Briefe, p. 220.
3 K. Frey, Sammlung ausgewählter Briefe, p. 277 und p. 282.
4 Les Correspondants de Michel-Ange, ed. G. Milanesi, p. 50, p. 74: „A vui non ve nuoce altro ehe vui
medesimo; cioe el gran credito ehe havete, et la grandeza de le Opcre vostre.“ Vgl. auch p. 42 und p. 92.

5
 
Annotationen