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Steinmann, Ernst; Michelangelo [Hrsg.]; Lewald, Theodor [Gefeierte Pers.]
Michelangelo im Spiegel seiner Zeit — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 8: Leipzig: Poeschel & Trepte, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.47058#0028
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Julius-Denkmal erhalten, und denke nicht daran, seinen Verpflichtungen gegen die
Erben Julius II. nachzukommen. „Aber“, so versicherte Sebastiano del Piombo,
„Clemens VII. höre nicht auf alle diese Dinge, sondern spreche von Michelangelo
wie ein Vater von seinem Sohn, habe ihm den Abfall während der Belagerung
von Florenz vollständig verziehen und sage: „Michelangelo hat unrecht. Ich
habe ihm niemals eine Beleidigung zugefügt. Wir sind in Florenz miteinander
aufgewachsen.“
Aber auch Michelangelos Gesundheit hatte gelitten: „Michelangelo schien mir
sehr erschöpft und abgemagert, als ich ihn neulich mit Bugiardini und Antonio
Mini bei mir sah“, schrieb Giovambattista Mini an Baccio Valori am 29. Sep-
tember 1531. „Er arbeitet übermäßig, ißt schlecht und wenig und schläft fast
garnicht. Seit einem Monat leidet er überdies an Schwindel und Kopfschmerzen.
Seine Heiligkeit sollte ihm verbieten, in der Sakristei zu arbeiten.“
Auch die Angelegenheit des Julius-Denkmals ließ den Vielgeprüften nicht los.
„Seine Heiligkeit könnte ihm keinen größeren Dienst erweisen, als wenn er
diese Angelegenheit in Ordnung bringen würde. Ich bin sicher, der Papst
würde einen Schatz ausgeben, um ihn wieder zu haben, wenn Michelangelo ihm
stürbe“1.
Clemens VII. war von diesen schlechten Nachrichten im höchsten Grade be-
unruhigt und sandte, um Michelangelo mit einem Schlage von allen älteren
Verpflichtungen zu befreien, am 21. November 1531 ein besonderes Breve an
ihn nach Florenz: „Wir liebten dich immer und wir lieben dich noch heute und
deine großen Eigenschaften. Und mit unseren anderen Wünschen für dich liegt
uns deine Gesundheit am Herzen, damit du in einem langen Leben der Stadt
Rom, deinem Hause und deiner Person weiter Ehre machen kannst, wie du es
bisher getan hast.“ Und damit die Last der Arbeit ihn nicht zu einem schnellen
Tode führe, befahl der Papst dem Künstler bei Strafe der Exkommunikation,
in Zukunft einzig und allein an den Medici-Denkmälern zu arbeiten2.
In der merkwürdig wenig bekannten und benutzten Lebensbeschreibung
Michelangelos von Paolo Giovio finden wir den Niederschlag aller dieser
Gerüchte über einen Mann, der, wie Varchi es ausgedrückt hat, in selbst ge-
wählter Einsamkeit dem Leben keine andere Deutung abzugewinnen vermochte,
als das unablässige Bestreben, bald die geheimen Mysterien der Kunst, bald die
unerforschlichen Geheimnisse der Natur zu ergründen3.
Paolo Giovio, mit Niccolö Macchiavelli und Francesco Guicciardini dem Drei-
1 Gaye, Carteggio. II, p. 228-230.
3 Das Breve ist nach dem Originalkonzept abgedruckt bei E. Steinmann, Die Sixtinische Kapelle II, 2, p. 742,1.
3 Varchi, Orazione funerale, p. 15: „tutto solo specolando da se hora i segretissimi misteri dell’arte e hora
i misteriosi segreti della natura.“
 
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