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Steinmann, Ernst; Michelangelo [Hrsg.]; Lewald, Theodor [Gefeierte Pers.]
Michelangelo im Spiegel seiner Zeit — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 8: Leipzig: Poeschel & Trepte, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.47058#0035
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In diesem Sinne ist auch die Überlieferung merkwürdig, die uns die Szene be-
schreibt, wie Michelangelo auf dem Brustband der Pieta in stiller Nacht in St.
Peter seinen Namen meißelte, nachdem er zufällig gehört hatte, wie ein Be-
schauer sie einem anderen als ein Werk des Gobbo da Milano bezeichnet hatte.
Eine Nonne, die aus dem nahen Kloster zum Gebet herbeigekommen war, soll
den Eindringling überrascht haben und wollte bereits um Hilfe rufen, als sie den
Meister erkannte. Da bat sie ihn, ihr doch ein wenig Marmorstaub aus der Wunde
des Heilandes zu schenken und er willfahrte ihr, ergriffen von so großer Fröm-
migkeit. Sie aber richtete ihm, um ihre Dankbarkeit zu beweisen, einen Eier-
kuchen her, und er verspeiste ihn an Ort und Stelle1.
Die „Mezza Novella“, die Anton Francesco Doni zuerst in einem Briefe vom
17. Februar 1544 an Bernardino Daniello da Lucca aufzeichnete und die Vasari
später im Leben Michelangelos genauer nach Ort und Zeit fixiert hat, fällt
gleichfalls zeitlich ziemlich früh. Der Held der Novelle, dessen Namen Doni
nicht zu nennen wußte, war Domenico de Fancelli, genannt Topolino, ein Stein-
metz aus Settignano und seit Oktober 1518 im Dienste Michelangelos. Topolino
hielt sich für einen großen Künstler und Michelangelo ergötzte sich an seinen
lächerlichen Figürchen. Als Michelangelo einmal an einer solchen Marmorfigur
Kritik übte, nahm sie Topolino zuversichtlich zurück mit den Worten: „Qualche
cosa gli farö io“, zu deutsch: „Irgend etwas werde ich schon mit ihr anfangen!“
Aber bald waren die Schultern zu schmal, bald die Beine zu kurz geraten, und
immer antwortete der Unermüdliche auf jegliche Kritik: „Qualche cosa gli farö
io.“ So brachte er schließlich aus mancherlei Marmorstücken einen Merkur mit
einem Paar Stiefelchen so gut zustande, daß selbst Michelangelo lächelnd diesen
unverdrossenen Erfindungsgeist bewundern mußte2.
Anton Francesco Doni ist es auch gewesen, der zuerst den Marmorbildern
Michelangelos in der Sakristei von San Lorenzo jene übernatürliche Beseelung
zugesprochen hat, die dann auch dem Moses von S. Pietro in Vincoli zuge-
schrieben worden ist3.
Kaum ein anderer Literat des Cinquecento hat dem großen Buonarroti eine so
hingebende Verehrung, eine so glühende Bewunderung bezeugt, wie dieser un-
ruhige Geist, den Paolo Giovio treffend als einen Mann bezeichnet hat, dem
'Karl Frey, Vasari, Literarischer Nachlaß, München 1930, II, p. 64/65. Vasari beschränkt sich (Milanesi VII,
p. 152) in seinen Angaben darauf, als Grund der Namensinschrift die Zuschreibung an Gobbo da Milano anzu-
geben, weil ihm das Übrige der Erzählung wohl zu unwahrscheinlich vorkam.
2 Vgl. zu Topolino: Vasari VII, p. 283, u. Anm. 1. Die Mezza Novella Donis wieder abgedruckt bei Steinmann-
Wittkower, p. 416. Ein Brief Michelangelos „al mio caro amico maestro Domenico detto Topolino“ vom
25. November 1523 ist bei Milanesi abgedruckt, p. 423, ein Brief Topolinos an Michelangelo bei Frey, Briefe
p. 223/4.
31 Marmi a cura di Ezio Chiörboli, II, p. 2off. Diese jüngste Ausgabe der Marmi konnte bei Steinmann-Witt-
kower, p. 108, noch nicht aufgeführt werden. Zur Moses-Legende vgl. Vasari-Nachlaß, ed. Frey II, p. 64.
 
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