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Steinmann, Ernst; Michelangelo [Hrsg.]; Lewald, Theodor [Gefeierte Pers.]
Michelangelo im Spiegel seiner Zeit — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 8: Leipzig: Poeschel & Trepte, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.47058#0036
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jeden Tag etwas Neues einfiel1. Vornehmer Familie entsprossen. Verwandter
jenes Angelo Doni, für den Michelangelo sein einzig erhaltenes Tafelgemälde
gemalt hat, wurde er von Alessandro de’ Medici seiner Güter beraubt. Nachdem
er die Mönchskutte abgeworfen hatte, begann er sein rastloses Wanderleben
durch ganz Italien, bald in Genua, bald in Piacenza, bald in Venedig und in Rom
länger oder kürzer verweilend, bis er im Jahre 1546 wieder in Florenz erschien,
wo er zum ersten Sekretär der Florentiner Akademie gewählt wurde2. Cosimo I.
wünschte der Druckerei der Giunti, die ihm zu sehr von republikanischem Geist
beseelt war, eine neue Offizin entgegenzusetzen und bewog Doni, sich als Ver-
leger zu versuchen3. Als solcher hat er eine Anzahl von etwa 20 kleinen Schriften
erscheinen lassen, ja er hoffte bereits, Vasaris Künstlerleben herauszubringen,
als seine Mittel versagten und der Herzog seine Gunst einem neuen Verlags-
hause, dem des Lorenzo Torrentino, zuwandte4. Doni verließ seine Vaterstadt
für immer, um nach Venedig überzusiedeln, bis er endlich die letzte Zuflucht
in Monselice bei Padua gefunden hat.
In seinen Briefen, die 1544 zum erstenmal gedruckt wurden, in seinem „Disegno“
(1549), das der Kunst und den Künstlern seiner Zeit gewidmet war, in seinen
schnell berühmt gewordenen „Marmi“, den Gesprächen an Feierabenden auf
den Marmorbänken rings um das Baptisterium von Florenz - überall ist es
Michelangelos dämonische Schaffenskraft, die ihn nicht losläßt. Die Madonna ist
selbst vom Himmel gestiegen, um sich in San Lorenzo von Michelangelo in
Marmor bilden zu lassen, „Aurora“ und „Notte“ beginnen sich zu regen und
erheben ihre Stimme zum Preise ihres Schöpfers; aber auch Urteile und Aus-
sprüche Michelangelos werden bei jeder Gelegenheit wiederholt - so daß die
Schriften Donis zu den aufschlußreichsten Quellen der Cinquecento-Literatur
über Michelangelo gehören: „Lieber möchte ich jeglichen Glückes auf Erden
entbehren, als in diese Welt gekommen zu sein, ohne Euch und Eure Werke
geschaut zu haben“, heißt es in einem offenen Brief, den Doni am 12. Januar 1543
an das „Weltorakel“ Michelangelo aus Piacenza gerichtet hat, wohin auch bereits
der Ruhm des Jüngsten Gerichtes gedrungen war5.
Ob Michelangelo auf diese Lobeserhebungen, auf diese grenzenlose Bewunde-
rung jemals reagiert hat, bezeugen uns die Quellen nicht. Jedenfalls war Doni
1 Bottari, Lettere V, p. 148.
2 Zur Literatur über Doni finden sich die vollständigsten Angaben itn Anhänge der ausgezeichneten Neuaus-
gabe der Marmi von Ezio Chiörboli II, 227 ff. Doni ist noch heute in der Kunstliteratur viel weniger bekannt,
als er verdient. Lebensbeschreibungen über ihn verfaßten Salvatore Bongi, wiederabgedruckt in Fanfanis Aus-
gabe der Marmi (Firenze 1863), p. IX-LXIII, und Silvio Stevanin, Ricerche ed appunti sulle opere di A. F. Doni,
Firenze 1903.
3 Kailab, Vasaristudien, p. 79. Schlosser, Die Kunstliteratur, p. 215 ff.
4 K. Frey, Vasari, Literarischer Nachlaß I, p. 192.
6 Wieder abgedruckt bei Steinmann-Wittkower, p. 416.

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