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Steinmann, Ernst; Michelangelo [Editor]; Lewald, Theodor [Honoree]
Michelangelo im Spiegel seiner Zeit — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 8: Leipzig: Poeschel & Trepte, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.47058#0037
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im Jahre 1547 in Rom, wo er die eben fertig gewordenen Fresken Vasaris in der
Cancelleria in einem Brief an seinen Gönner Lelio Torelli, den Minister Cosi-
mos I., in Florenz eingehend beschrieben hat1. Wurde er von dem unzugäng-
lichen Alten am Macell de’ Corvi eines Blickes, eines Wortes gewürdigt? Typen
einer so oberflächlichen Kultur, wie sie Doni besaß, und bei glänzenden natür-
lichen Gaben überdies von höchst extravaganter Veranlagung, waren nicht nach
Michelangelos Geschmack, bei dem bewundernde Phrasen seiner Zeitgenossen
eigentlich nichts anderes hervorriefen als stille Seufzer und gelegentlich auch
wohl laute Proteste.
Wagte es doch Michelangelo, selbst den Huldigungen des allmächtigen Literaten
seiner Zeit, des Pietro Aretino ein undurchdringliches Schweigen entgegenzu-
setzen, als er erkannt hatte, wie niedrig die Motive waren, die Aretino zu seinen
Huldigungen veranlaßten2.
Allerdings würdigte er noch das erste Schreiben Aretinos vom 16. September
1537 einer Antwort, in der er mit ausgesuchter Höflichkeit die Vorschläge Are-
tinos für die Gestaltung des Jüngsten Gerichtes als unübertrefflich pries, aber
gleichzeitig seinem Bedauern darüber Ausdruck gab, daß die Arbeit bereits zu
weit vorgeschritten sei, als daß es noch möglich gewesen wäre, Aretinos Anre-
gungen zu benutzen. Aber die Hoffnungen, die Aretino an dies Schreiben
knüpfte, das er nach Kräften in ganz Italien zu verbreiten suchte, sollten sich
nicht erfüllen. Michelangelo erwies sich allen plumpen Schmeicheleien, allen
aufdringlichen Bitten um Zeichnungen und Modelle, allen Anwürfen und schließ-
lichen Drohungen dieses gänzlich skrupellosen Mannes gegenüber als völlig taub
und unzugänglich. Einmal ließ er noch durch Jacopo Cellini für Aretinos über-
schwängliche Freundschaftsbezeugungen den kühlsten Dank abstatten, dann
verstummte er. Er fühlte den Abgrund, der sich zwischen ihm und diesem
Manne auftat, und er fand in seiner eigenen Natur weder Neigung noch Not-
wendigkeit ihn zu überbrücken.
Aber Aretino hat diese Nichtachtung eines Mannes, an dessen Wertschätzung
ihm mehr als an jeder anderen lag, niemals vergeben und vergessen. Wenn wir
in Erörterungen über Kunst, die im Cinquecento in Venedig erschienen, mehr
als einmal offenem oder verstecktem Antagonismus gegen Michelangelo begeg-
nen, so ist es Aretinos Werk, wenn Condivi in seiner Lebensbeschreibung des
Meisters zuletzt von seinen Freunden ganz beiläufig Tommaso Cavalieri nennt,
um bei der Liebe Michelangelos zu Vittoria Colonna um so ausführlicher zu ver-
1 Bottari, Raccolta di lettere, V, 151. Vgl. Monatshefte für Kunstwissenschaft III (1910), p.49, und K. Frey, Va-
sari. Literarischer Nachlaß I, p. 177 ff.
2 Vgl. Sergio Ortolani, Pietro Aretino e Michelangelo in l’Arte XXV (1922), p. 15/26. Die Korrespondenz Are-
tinos Michelangelo betreffend ist im Einzelnen aufgeführt bei Steinmann-Wittkower, p. 11.

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