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Steinmann, Ernst; Michelangelo [Hrsg.]; Lewald, Theodor [Gefeierte Pers.]
Michelangelo im Spiegel seiner Zeit — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 8: Leipzig: Poeschel & Trepte, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.47058#0038
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weilen, so erkennen wir hier gleichfalls das Widerspiel der geheimen Intrigen,
die in Venedig gesponnen wurden, wenn endlich Paul IV. die Nuditäten des
Jüngsten Gerichtes von Daniello da Volterra bedecken ließ, so war es wieder
Aretino, der das Feuer geschürt hatte, unterstützt von der immer stärker werden-
den geistigen Strömung der Gegenreformation.
Michelangelo war 5 8 Jahre alt, als er im November 1533 von Florenz nach Rom
zurückkehrte, um nunmehr am Macell de’ Corvi für die letzten dreißig Jahre
seines Lebens Wohnung zu nehmen. „Ich habe nichts anderes mehr zu bitten,“
hatte ihm Messer Tomao bereits im August geschrieben, „als daß Ihr bald
zurückkehrt, denn Eure Rückkehr wird mich aus dem Gefängnis befreien. Auch
möchte ich jeden schlechten Umgang meiden, und um das zu können, darf
ich mit niemand anders umgehen, als mit Euch“1.
Es klingt wie eine Antwort auf diesen Brief, wenn Michelangelo im September
seinem treuen Hausverwalter Bartolomeo Angiolini schreibt: „Unablässig, Tag
und Nacht, sehne ich mich, in Rom zu sein. Denn ich möchte zum Leben zurück-
kehren, und das kann ich nur dort, wo meine Seele ist. Ich kann in Ewigkeit
nicht anderwärts leben. Glaubt nicht, daß ich scherze. Ich spreche ganz im Ernst.
Denn ich bin um zwanzig Jahre gealtert und habe zwanzig Pfund abgenommen,
seit ich hier bin“2. Michelangelo hat sich immer älter gemacht, als er war. Er
sprach schon mit vierzig Jahren von den Gebrechen des Alters und strafte sich
selbst durch seine Taten Lügen. Im Gegenteil, als er im November, den Sech-
zigern nahe, das Haus am Macell de’ Corvi endgültig in Besitz nahm, war er
noch ein Mann im vollkommenen Besitz seiner körperlichen und geistigen
Kräfte. Er packte eine ungeheure Aufgabe, die Ausmalung der Altarwand der
Sixtinischen Kapelle mit dem Feuereifer eines Jünglings an und schob rück-
sichtslos Sebastiano del Piombo beiseite, der ihm die altgewohnte Freskotechnik
verleiden wollte. Im Juni 1534 reiste er noch einmal von Rom nach Florenz
zurück, um seinem Vater die Augen zuzudrücken; am 23. September war er
wieder in Rom, zwei Tage vor dem Hingang Clemens VII.3 Am 13. Oktober
bestieg Alessandro Farnese als Paul III. den päpstlichen Thron.
1 Frey, Dichtungen, p. 518, Reg. 61.
* Milanesi, Lettere, p. 469, n. CDXVIII.
’ Brief an Vasari vom Mai 1557 bei Milanesi, Lettere, p. 544/5.


 
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