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Steinmann, Ernst; Michelangelo [Editor]; Lewald, Theodor [Honoree]
Michelangelo im Spiegel seiner Zeit — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 8: Leipzig: Poeschel & Trepte, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.47058#0044
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Donato Giannotti1 sind die guten Geister gewesen, die Michelangelo mit Sym-
pathie begleitet haben, als seine gequälte Seele sich neuen, heißen und beglücken-
den Affekten erschloß. Sie haben mit Freundesaugen diese neue Evolution
des Unsterblichen verfolgt und mit Freundeshänden die Zeugnisse dieser seltsam
bewegten Jahre gesammelt und bewahrt. Noch heute haben sich im Archivio
Buonarroti sowohl von Riccio wie auch von Giannotti korrigierte, sorgfältig
abgeschriebene Gedichte Michelangelos in besonderen Heften erhalten, die ohne
weiteres den Schluß erlauben, daß beide Männer jahrelang beschäftigt gewesen
sind, die Dichtungen ihres Freundes für den Druck vorzubereiten2. Ja, in dem
berühmten Michelangelo-Kodex 3211 der Vatikanischen Bibliothek finden wir
bereits nicht weniger als 105, teils von Riccio, teils von Giannotti, teils von
fremder Hand abgeschriebene Sonette und Madrigale, mit fortlaufenden Num-
mern versehen und hier und dort von Michelangelos Hand korrigiert. Diese
Schlußredaktion, die zweifelsohne für den Druck bestimmt war, hat Carl Frey
als unvergängliches Denkmal dieser Freundschaft in seinen „Dichtungen des
Michelangelo Buonarroti“ publiziert.
Beide Männer waren Florentiner: Luigi del Riccio - wohl seit 1534 in Rom
ansässig - Beamter an der Bank der Strozzi und Ulivieri in Via dei Banchi vecchi
und seit dem 10. Oktober 1543 Prokurator des eben nach Frankreich ausgewan-
derten Ruberto Strozzi, dem Michelangelo mit wahrhaft großer Geste die beiden
für das Julius-Denkmal bestimmten Sklaven verehrte, die heute im Louvre bewahrt
werden. Donato Giannotti, der seinen Namen unsterblich machen sollte, als Ver-
fasser zweier Werke über die Republiken von Venedig und Florenz3, ist der Nach-
folger des großen Machiavelli im Amt als Staatssekretär der Florentiner Repu-
blik vor ihrem Untergang gewesen. Er hatte an allen Wechselfällen von Florenz
in den zwanziger und dreißiger Jahren teilgenommen, hatte sein Leben aufs Spiel
gesetzt und seine Habe verloren und endlich im Jahre 15 39 als Sekretär des auch
Michelangelo befreundeten Kardinals Niccolö Ridolfi eine neue Existenz gefunden.
Mit diesem klugen und feinsinnigen Kirchenfürsten, in dessen Auftrag Michel-
angelo seine Brutusbüste verfertigte, hat Donato Giannotti das nächste Jahrzehnt
in Vicenza, in Bagnaja bei Viterbo, vor allem aber in Rom verbracht4.
1 Itinerar des Donato Giannotti (1530-1550) bei Frey, Dichtungen, p. 529.
2 Vgl. Cesare Guasti, Le Rime di Michelangelo Buonarroti. Firenze 1863, p. LVI und LVII, und die Aus-
führungen über Codex Riccio und Codex Giannotti von Karl Frey, Dichtungen, p. 286/7.
3 Vgl. Opere politiche e letterarie di Donato Giannotti, ed. F. G. Polidori precedute da un discorso di Atto
Vannucci, Firenze 1850. Della Repubblica Fiorentina libri IV wurde 1531 abgefaßt und dem Kardinal Niccolö
Ridolfi gewidmet. Das Werk wurde erst 1721 in Venedig gedruckt (Opere I, p. XLVII). Das Libro della Repubblica
de’ Viniziani erschien bereits i. J. 1540 bei Antonio Blado in Rom (Opere I, p. XLII). Vgl. über Giannotti vor
allem die ausgezeichnete Arbeit von Roberto Ridolfi, Nuovi contributi alla biografia di Giannotti in Rivista
storica degli archivi Toscani I (1929), p. 213/247.
‘Vgl. Roberto Ridolfi, La biblioteca del Cardinale Niccolö Ridolfi in La Bibliofilia XXXI (1929), p. 173/193.
 
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