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Steinmann, Ernst; Michelangelo [Hrsg.]; Lewald, Theodor [Gefeierte Pers.]
Michelangelo im Spiegel seiner Zeit — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 8: Leipzig: Poeschel & Trepte, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.47058#0045
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Aber Luigi del Riccio sowohl wie Donato Giannotti waren Florentiner Verbannte
und als solche gehörten sie dem großen Kreise Florentiner Flüchtlinge in Rom
an, die die Herrschaft Cosimos I. in Florenz bekämpften und von diesem gewalt-
tätigen und verschlagenen Fürsten mit Feuer und Schwert verfolgt wurden.
Auch Michelangelo gehörte jetzt, wie einst, als er San Miniato gegen die Medici
und ihre Hilfstruppen befestigte, mit ganzer Seele den Republikanern an, aber
er befand sich, wie so oft in seinem Leben, auch hier zwischen Hammer und
Ambos. Seine noch lebenden Angehörigen - Bruder und Neffe - waren Unter-
tanen Cosimos, seine mühsam erworbenen Landgüter lagen alle um Florenz.
Er war also gehalten, sich mit den Tatsachen abzufinden, um so mehr als der
Herzog sein Leben in Rom mit aufmerksamem Blick verfolgte und keines-
wegs die Hoffnung aufgegeben hatte, den Diener Leos X. und Clemens VII.,
den größten Künstler Italiens und berühmtesten Bürger von Florenz in seine
Dienste zurückzugewinnen.
Seltsamerweise scheint sich Luigi del Riccio in einer ähnlichen Zwangslage be-
funden zu haben wie Michelangelo, nur war sie bei seinen bescheideneren Ver-
hältnissen weniger gefährdet und exponiert. Er war Prokurator des Ruberto
Strozzi, des Todfeindes Cosimos I., stand aber dabei dauernd mit dem Herzog
von Florenz in Beziehung, dem er Medaillen besorgte und dessen Interessen er
bei der Errichtung der Denkmäler der beiden Medici-Päpste in S. Maria sopra
Minerva vertrat1.
Also auch hier bei einem vortrefflichen Manne, den Michelangelo zu seinen ver-
trautesten Freunden zählte, ein zwiespältiges Verhältnis, das wir uns heute kaum
zu erklären vermögen, und das uns wie mit einem Schlaglicht grell beleuchtet
wird, wenn sich Luigi del Riccio in einem Schreiben an Cosimo I. am 3. Januar
1540 als seinen getreuen Diener bezeichnet und alle Segnungen des Himmels auf ihn
herabfleht, und vier Jahre später, am 21. Juli 1544, seinem Herrn, Ruberto Strozzi,
die Botschaft Michelangelos übermittelt, er möge dem Könige von Frankreich
sagen, wenn er Florenz die Freiheit wiedergäbe, würde er - Michelangelo - ihm
auf eigene Kosten eine Reiterstatue auf der Piazza della Signoria errichten2.
Aus Rücksicht auf Riccios gute Dienste und Michelangelos unantastbare Größe
mag Cosimo I. ein Auge zugedrückt haben, aber als einige Jahre später in
Über die Brutusbüste vgl. Thode, Michelangelo V, p. 285, über die Inschrift J. G. Keyßler, Neueste Reisen,
1. Auflage Hannover 1740, I, p. 493. 2. Auflage Hannover 1751, I, p. 35Öf.:
M. Dum Bruti effigiem sculptor de marmore ducit, A.
B. In mentem sceleris venit, & abstinuit. F.
Merkwürdig sind an dieser Inschrift die Buchstaben M. A. B. F. = Michael Angelus Bonarotus Fecit.
1 Vgl. Karl Frey, Zur Baugeschichte von St. Peter im Jahrb. d. pr. Kunstsammlungen, XXXIII (1913), Bei-
heft, p. 143.
2 Gaye, Carteggio II, p. 296.

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