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Steinmann, Ernst; Michelangelo [Hrsg.]; Lewald, Theodor [Gefeierte Pers.]
Michelangelo im Spiegel seiner Zeit — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 8: Leipzig: Poeschel & Trepte, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.47058#0062
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erschien, setzte er alles in Bewegung, um vor Michelangelo mit einer besonderen
Empfehlung Cosimos I. erscheinen zu können, der seit zehn Jahren unablässig
bemüht war, Michelangelo zu veranlassen, nach Florenz zurückzukehren. Vasari
berichtet dann, er habe Michelangelo in jenen Tagen täglich besucht und sei
von dem alten Manne mit Freundschaftsbezeugungen geradezu überschüttet
worden1.
Am 16. Juli 1553 war bei Antonio Blado der Druck der Vita Michelangelos
von Ascanio Condivi fertiggestellt worden, die wohl zweifellos ohne Wissen
Vasaris zustande kam. Condivi, ein mittelmäßiger Künstler, aber ein, wie
es scheint, vortrefflicher Mensch, besaß nicht die Pretentionen Vasaris, war
eine Eckermann-Natur, die nur bestrebt war, ein möglichst treues Abbild
seines Meisters auf die Nachwelt zu bringen und bei dieser Gelegenheit zu-
gleich mancherlei Dinge richtigzustellen, die der Aretiner falsch dargestellt
hatte. Natürlich wurde der Vita Condivis von Anfang an ein besonderer Rang
von den Zeitgenossen zugestanden. Die Lebensschilderung Vasaris war eine
unter vielen, vielen Künstlerviten. Die Arbeit Condivis war eine Leistung für
sich, von der jedermann wußte, daß sie unter den Augen Michelangelos ent-
standen war2.
So sah sich Vasari veranlaßt, als er im Jahre 1568 seine Künstlerviten neu er-
scheinen ließ, das Leben Michelangelos nach dem Leben Condivis vollständig
neu zu bearbeiten und, um dieser Schilderung vor allen übrigen die Bedeutung
zu verleihen, die ihr in der Tat zukam, ließ er vom Leben Michelangelos allein
noch eine Sonderausgabe drucken, die heute zu den größten Seltenheiten der
Michelangelo-Literatur gehört3.
Leider haben weder Vasari noch Condivi ihre Absicht ausgeführt, der Nachwelt
noch weitere, dem engsten persönlichen Verkehr entsprossene Nachrichten über
ihren Freund und Meister zu hinterlassen. Vasari wollte die Gespräche gesondert
herausgeben, die er mit Michelangelo geführt, als sie im Jubiläumsjahre 1550
die sieben Hauptkirchen Roms - von einer zur anderen reitend - besuchten, um
eine besondere Indulgenz zu erlangen, die ihnen Julius III. zugebilligt hatte4.
Condivi weiß zu berichten, daß er - wohl als Erbe Riccios und Giannottis -
1 Vgl. Rivista storica degli Archivi Toscani I (1929), p. .289, wo E. Steinmann ein vom Marchese R. Ridolfi
gefundenes Dokument veröffentlicht und kommentiert hat, das erhärtet, wie sehr Vasari an diesem Empfehlungs-
brief lag. Vgl. auch Frey, Vasari, Literarischer Nachlaß I, p. 551, 558.
2 „D’averle cavate con destrezza e con lunga patientia dal vivo oraculo suo“, sagt Condivi selbst in seiner Vor-
rede. Vgl. Steinmann-Wittkower, p. 91 ff. Vgl. die scharfsinnige und aufschlußreiche Einleitung, die Paolo d’An-
cona seiner Neuausgabe der Vita Condivis vorausgeschickt hat, ed. Milano (1927), p. 7-20.
3 Vita del gran Michelagnolo Buonarroti scritta da M. Giorgio Vasari, Pittore e Architetto Aretino con le sue
magnifiche Essequie stategli fatte in Fiorenza dall’Accademia del Disegno. Nella stamperia de’ Giunti 1568.
Widmung datiert vom 6. Februar 1567 an Alessandro de’ Medici.
4 Ed. Milanesi VII, p. 228.

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