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Steinmann, Ernst; Michelangelo [Editor]; Lewald, Theodor [Honoree]
Michelangelo im Spiegel seiner Zeit — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 8: Leipzig: Poeschel & Trepte, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.47058#0064
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So führen uns auch die beiden größeren Werke, die Michelangelo noch bei Leb-
zeiten gewidmet wurden, nach Venedig, Rom und Florenz.
Im Jahre 1549 gab der venezianische Verleger Michele Tramezino zum ersten
Male die Roma Trionfante des Biondo da Forli in italienischer Übertragung
heraus und schickte seinem Buch eine weitläufige Widmung an Michelangelo
voraus1. Hier wurde Michelangelo als der einzige Künstler von allen gefeiert,
der wohl von der Antike gelernt, aber dabei die Antike übertroffen habe, der es
so weit in seiner künstlerischen Entwicklung gebracht, daß es schwer zu sagen
sei, ob die Werke seiner Hand mehr den Werken der Antike glichen, oder die
Schöpfungen der Antike den Werken seiner Hand. Hier werden Michelangelos
Zeitgenossen aufgefordert, seine Werke in der Sixtinischen Kapelle zu betrach-
ten, wo alle Arten zu malen, alle Farbengebungen, alle Bewegungen, alle Ge-
bärden, alle überhaupt nur denkbaren Zustände des menschlichen Körpers und
alle Bewegungen der Seele durch einen einzigen Künstler zum Ausdruck ge-
bracht worden wären.
Im Jahre 1556 ließ Pierfrancesco Giambullari bei Lorenzo Torrentino in Florenz
die nachgelassene Schrift seines Freundes Carlo Lenzoni drucken: Difesa della
lingua fiorentina, et di Dante und widmete sie dem virtuosissimo Michelagnolo
Buonarroti2. „Da dieses ganze Werk“, so heißt es hier, „von der Schönheit,
der Erhabenheit, der Virtü des einzigen und wahren Dichters handelt - obwohl
er heute noch von wenigen ganz verstanden und gewürdigt wird -, so schien
es geboten. Euch allein dies Werk zu widmen, der Ihr durch die grenzenlose
Liebe und die tiefste Erkenntnis dieses Dichters alle anderen überragt. Dazu
kommt, daß zwischen Euch und Dante gewisse Ähnlichkeiten zu beobachten
sind, die der höchsten Aufmerksamkeit wert sind.“ Und nun werden diese ge-
heimen Beziehungen zwischen den beiden, vornehmen florentinischen Ge-
schlechtern entsprossenen, Männern in allen ihren Einzelheiten darzulegen ver-
sucht. Michelangelo und Dante! Das ewig unerschöpfliche Thema, das bereits
der wackere Donato Giannotti seinen merkwürdigen Dialogen zugrunde gelegt
hatte.
Die Historiker Varchi und Donato Giannotti, der Dante-Forscher Pierfrancesco
Giambullari und endlich der Verleger Michele Tramezino, das sind in der
Literaturgeschichte des Cinquecento die ersten Männer gewesen, die Michel-
angelos Größe nicht so sehr als Maler, Bildhauer und Architekt, sondern viel-
mehr als Dichter und Dantekenner verbreitet haben. Aber zu den Geschichts-
1 Roma Trionfante di Biondo da Forli, tradotta pur hora per Lucio Fauno di latino in buona lingua volgare.
Venetia, Michiele Tramezino, 1548. Wiederabgedruckt bei Steinmann - Pogatscher, Dokumente und For-
schungen zu Michelangelo im Repert. f. Kw. XXIX (1906), p. 417.
2 In Difesa della lingua Fiorentina, et di Dante con lc regoleda far bella e numerosa la prosa. Firenze, Torrentino,
T557- Vgt Steinmann-Pogatscher, p. 156.

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