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Steinmann, Ernst; Michelangelo [Editor]; Lewald, Theodor [Honoree]
Michelangelo im Spiegel seiner Zeit — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 8: Leipzig: Poeschel & Trepte, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.47058#0066
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Gestalten Würde, Bewegung und Beseelung zu verleihen, vergessen, was sie
vorher gewußt haben, und ohne daß es ihnen gelingt, seinen Stil zu dem ihrigen
zu machen, verlieren sie auch noch das, was sie selbst zu leisten befähigt waren.“1
Während Vincenzo Danti zu den wenigen Bildhauern der Schule Michelangelos
gehört, denen es gelang, Michelangelo nachzuahmen, ohne sich selbst zu ver-
lieren, blieb Benvenuto Cellini in seiner Kunst verhältnismäßig unabhängig von
seinem Landsmanne, dessen Größe als Künstler und als Mensch er mehr zu
schätzen wußte und tiefer in sich aufgenommen hatte, als die meisten anderen
seiner Zeitgenossen. Welch eine Fülle kleiner und doch vielsagender Züge,
Leben, Kunst und Charakter Michelangelos betreffend, finden wir in den Schrif-
ten dieses seltsamen Mannes mit dem ungebändigten Temperament und der
großen schöpferischen Kraft! An ihm bestätigte Michelangelo sein eigenes Wort,
daß er gezwungen war, außerordentliche Talente zu lieben, wo sie ihm begeg-
neten. Cellini berichtet selbst, wie Michelangelo ihn immer wieder in seiner
Werkstatt besuchte und sich nicht satt sehen konnte an einer Medaille, die er
gerade für Girolamo Marretti in Arbeit hatte2. Und wie beglückend müssen für
Cellini die Lobeserhebungen gewesen sein, die Michelangelo für die Büste
Altovitis fand und die sich heute noch in einem Brieffragment des Meisters
erhalten haben3.
Von Jugend auf war Cellini mit Michelangelo bekannt gewesen. Er haßte den
Bildhauer Pietro Torrigiani nur deshalb, weil dieser sich frech gerühmt hatte,
Michelangelo das Nasenbein zerschlagen zu haben4. Er gehörte zu denen, die
am Schlachtenkarton Michelangelos im Palazzo Vecchio sich in unablässigem Be-
mühen gebildet hatten5, er zeigt sich besser, als alle anderen Zeitgenossen, über
Michelangelos Arbeitsweise orientiert, er rühmt seinen göttlichen Meister als
den Bildhauer, der seit Menschengedenken den Marmor am wunderbarsten zu
bearbeiten verstanden habe, und preist ihn als den größten Maler aller Zeiten,
weil er für seine Gemälde nach plastischen Modellen gearbeitet habe6.
Cellini war es, der in jungen Jahren mit Piloto, dem Bildhauer, Michelangelo
begleiten durfte, wenn er in stillen Sommernächten in Florenz den Spuren des
Luigi Pulci folgte, der mit einer unvergleichlichen Stimme begabt, die schönsten
1 Pietro Aretino, II primo libro delle lettere a cura di Fausto Nicolini, Bari 1913, I, p. 279.
2 Vita di Benvenuto Cellini per cura di Orazio Bacci, Firenze 1901, p. 54 und 86/87. Von den vielen italienischen
Ausgaben eine der besten 1
3 Lettere, ed. Milanesi, p. 532.
4 Vita, cd. Bacci, p. 26.
5 Vita, ed. Bacci, p. 25. Vgl. O. Bacci, Due lettere inedite di Benvenuto Cellini a Michelangelo in Miscellanea
Fiorentina di erudizione e storia II (1898), p. 125/28. Beide Briefe schon vorher veröffentlicht von Pcrkins,
Tuscan sculptors, London 1864, II, p. 62 und 222.
GI trattati dell’oreficeria e della scultura di Benvenuto Cellini per cura di Carlo Milanesi, Firenze 1857, p. 195,
und Varchi, Due lezzioni, p. 152.

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