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Steinmann, Ernst; Michelangelo [Editor]; Lewald, Theodor [Honoree]
Michelangelo im Spiegel seiner Zeit — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 8: Leipzig: Poeschel & Trepte, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.47058#0072
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abmüht, die Gott ihm gegeben hat, um sein Leben so lange zu verlängern, wie
er kann.“1
In diesen Worten wird das Schicksalsmäßige zum Ausdruck gebracht, das
Michelangelo in sich selbst so stark empfand, und das ihn einmal, als er in der
Sixtinischen Kapelle junge Maler sein Jüngstes Gericht kopieren sah, die pro-
phetischen Worte sprechen ließ: „Wie viele wird diese meine Kunst zu Narren
machen!“2 In diesem Ausspruch finden wir ihn vielleicht ein einzigesmal
in seinem Leben in Übereinstimmung mit Pietro Aretino, der in der Nach-
ahmung Michelangelos die gleiche Gefahr für die aufstrebende Jugend er-
kannt hatte3.
Als Cosimo I. Ende März 1560 seinen Hofmaler Vasari im Gefolge seines Sohnes,
des Kardinals Giovanni de’ Medici, mit einem besonders dringenden Empfeh-
lungsschreiben an Michelangelo nach Rom sandte, hatte er endlich die Hoffnung
aufgegeben, den größten Florentiner des Zeitalters noch lebend in Florenz be-
grüßen zu können. Seit 1546 waren Künstler und Geistliche, Gesandte und Hof-
leute im Auftrage des Herzogs vergebens bemüht gewesen, Michelangelo zu
dieser Ortsveränderung zu überreden. Am 30. Mai 1557 hatte Cosimo eigen-
händig noch einmal Michelangelo aufs dringendste eingeladen4, in die Heimat
zurückzukehren. Alles war vergebens gewesen! Michelangelo konnte - nicht
mit Unrecht - auf die verantwortungsvollen Aufgaben vor allem an der Peters-
kirche hinweisen, die er, nach Florenz zurückkehrend, in Rom im Stich lassen
mußte. Im Grunde aber hat er sein Mißtrauen gegen den Unterdrücker seiner
Vaterstadt niemals ganz überwinden können, und jener Geist von Heuchelei und
Unterwürfigkeit, der am Florentiner Hofe herrschte, mußte ihm in tiefster Seele
zuwider sein. Er war fest entschlossen, seine Tage in Rom zu beschließen und
fühlte sich durch nichts bewogen, durch seine Rückkehr nach Florenz seine Ver-
gangenheit zu verleugnen und den Glanz der Regierung der Medici durch seine
Gegenwart zu erhöhen.
Denn Michelangelos Ruhm hatte damals nicht seinesgleichen und die Fremden
wollten Rom nicht verlassen ohne ihn gesehen zu haben. „Welch ein Unter-
schied“, schrieb Pier Vettori am 4. Januar 1557 an Borghini, „ist zwischen
1 Brief vom 20. Januar 1542 bei Milanesi, Lettere, p. 479. Als Silvia di Somma, Contessa di Bagno, von Niccolö
Martelli eine Abschrift jenes Briefes erhielt, antwortete sie, daß Michelangelo mit diesem Briefe beweise, daß er
nicht nur in den Künsten, sondern auch mit der Feder das Maß des menschlichen Geistes überschritten habe.
Eine Feder aus Perlen und Tinte aus flüssigem Golde wünschte sie sich, um den Tag, an dem sie diesen Brief
gelesen, an der Spitze der wenigen frohen Tage aufzuzeichnen, die ihr in dieser Welt beschieden waren. (Vgl.
II primo libro delle lettere di Niccolö Martelli, 1546, fol. 50'.)
2 Überliefert von Armenini, De’ veri precetti della pittura libri tre. Ravenna 1587, p. 66/67.
3 Vgl. Aretino, Lettere ed. Fausto Nicolini, Bari 1913, I, p. 279.
4 Gaye II, p. 418. Antwort Michelangelos bei Milanesi, Lettere, p. 543. K. Frey, Dichtungen, p. 535/6,- R. 115, hat
die vergeblichen Versuche Cosimos chronologisch geordnet zusammengestellt.


 
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