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Kriegstagung für Denkmalpflege [Editor]
Stenographischer Bericht — Berlin, 1915

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Sonnabend, den 28. August
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https://doi.org/10.11588/diglit.29910#0036
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die Kathedrale abgefeuerten Schuß entstanden. Auch die französischen
und englischen Zeitungen, voran eine Depesche der „Daily Mail“ vom
22. September, sagen, daß vom Morgen des Tages ab Brände in der Um-
gebung der Kathedrale herrschten, daß dann nachmittags um y2 5 Uhr das
unglückliche Bestaurationsgerüst an dem Nordwestturm Feuer fing und
daß dieses Gerüst das Feuer dem Dach mitteilte. Einige Tage darauf sind
wieder Batterien rechts und rückwärts der Kathedrale durch Flieger fest-
gestellt worden. Der Standort der Batterien wurde an Hand des Stadt-
planes unter Feuer genommen. Hierbei ging ein Schuß unbeabsichtigt in
den ausgebrannten Dachstuhl der Kathedrale. Wenn diese sonst noch ge-
troffen ist, so waren dies Zufallstreffer. Wir müssen glauben, daß die Mit-
teilungen der französischen Begierung hierüber auf Tatsachen beruhen.
Bei der Benutzung der Kathedrale als Kugelfang wäre das leicht erklärlich.
Beschießungen der Stadt Beirns haben dann noch wiederholt weiterhin bis
in die letzten Monate stattgefunden. Aber alle diese Beschießungen waren
durch die militärischen Bücksichten bedingt. Die größeren Beschießungen
haben stets nach einem genauen, nach Stadtvierteln bestimmten Feuer-
befehl stattgefunden; auf ausdrücklichen Befehl der Obersten Heeresleitung
und des Generalkommandos ist die Kathedrale und der im Südosten der
Stadt um die Kirche St. Bemi gelegene Bautenkomplex unbeschossen ge-
blieben. Bei der Nähe unserer die Stadt Beims jetzt völlig beherrschenden
Stellung wäre es für unsere Artillerie ein leichtes gewesen, mit den schweren
Geschützen in einer Stunde aus der Kathedrale wirklich jenen Trümmer-
haufen zu machen (le monceau de ruines), von dem der französische General-
stab sprach. Noch einmal: Nur der Umstand, daß schwere Geschütze,
Kolonnen und Trains in der Nähe des Bauwerks placiert waren, daß der
eine Turm dauernd zu Beobachtungen benutzt ward, hat die deutsche
Heeresleitung zu jener einen direkten Beschießung genötigt.

Mag man sich noch einmal den Hergang am 19. September klar-
machen. Auguste Marguillier hat in einem Artikel in dem „Mercure de
France“ vom 1. Juli d. J. ausgesprochen, wie beklagenswert es sei, daß die
Verwaltung der historischen Denkmäler nicht sofort in den ersten Tagen
der Kämpfe das enorme Gerüst an dem Turm, das die schweren Beschädi-
gungen vor allem hervorgerufen habe, habe verschwinden lassen. Nun ist
dieses Gerüst in den Nachmittagsstunden jenes Tages zusammengestürzt,
der mächtige Haufen von brennenden Balken hat fünf Stunden vor der
Front gebrannt, ohne daß das geringste getan ward, diesen gefährlichen
Feuerherd zu zerstören. Es wäre für die Feuerwehr oder für die Pioniere
oder für irgend eine der französischen Truppen ein leichtes gewesen, die
brennenden Balken auseinander zu reißen und auf dem Platz zu zerstreuen.
Niemand hat daran gedacht, das der dauernden Einwirkung der ungeheuren
Hitze ausgesetzte linke S'eitenportal unter die Einwirkung der Feuerspritze
zu setzen. Die größte Zerstörung der Skulpturen, die durch das Ausglühen
des Steines herbeigeführt ist, hätte unzweifelhaft durch solche einfachen
Sicherungsmaßregeln vermieden werden können.

Und nun höre man noch einmal den Protest des französischen Ministers
des Auswärtigen vom 20. September: „La fameuse basilique n’est plus
qu’un monceau de ruines.“ Und die offiziellen französischen Telegramme
vom gleichen Tage besagten: „La Cathedrale maintenant entierement
 
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