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Kriegstagung für Denkmalpflege [Editor]
Stenographischer Bericht — Berlin, 1915

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Sonnabend, den 28. August
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https://doi.org/10.11588/diglit.29910#0042
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Um wieviel klarer und bewußter als Frankreich hatte hier von Anfang
an die lateinische Schwester Italien die Folgerungen aus den neuen Be-
dingungen des Krieges gezogen! Italien hat hier wirklich von den Erfah-
rungen im Norden viel gelernt — es scheint aber, daß es allein auf diesem
Gebiete gelernt hat. Es ist der Umsicht, der Unermüdlichkeit des General-
konservators der Denkmäler Italiens, Corrado ßiccis, zu danken, daß die
gefährdeten Monumente in einem solchen Umfang ein Kriegskleid angezogen
erhalten. Es erscheint uns an manchen Punkten vielleicht als eine zu weit
gehende Vorsicht. Dies Kriegsgewand ist so schön und so korrekt angelegt,
als ob man hier ein Paradigma hätte aufstellen wollen. Venedig, Verona
und Mailand sind so vor allem mit Sicherungsmaßnahmen versehen. Ganz
von selbst versteht es sich für die Italiener im Gegensatz zu der französischen
Sorglosigkeit, daß der Inhalt der kostbaren Sammlungen jener an der Front
gelegenen am meisten exponierten Städte sofort verschwunden, abtrans-
portiert oder in sichere Katakomben gewandert ist. Vorbildlich scheint
hier die Fürsorge in Venedig. Man hat hier all das getan, was in Reims
unterblieben ist. An dem Dogenpalast ist der untere Teil mit Ziegelmauer-
werk, sind die oberen Loggien mit Blenden unterfangen. Die Ecken sind
in der ganzen Höhe der beiden Loggien mit steinernen Umbauten versehen.
Die Ecke des Markusdomes nach der Piazzetta hin ist ausgemauert, um
den dünnen Säulchen hier einen größeren Halt zu geben. Die Hauptportale
sind durch eine Wand von Sandsäcken geschützt. Die Bronzepferde, die
vielgereisten, die von Rom nach Konstantinopel, von Konstantinopel nach
Venedig, von Venedig nach Paris, von Paris nach Venedig zurückgewandert
sind, sind unter großen Mühen mit umfänglichen Hebeapparaten herunter-
geholt worden, um sie in Sicherheit zu bringen und um die Fassade um
dieses Gewicht zu erleichtern. Im Innern sind die Statuen, die den Lettner
krönen, mit Werg umwickelt und in Leinwand eingehüllt, Berge von Sand-
säcken liegen herum zum Schutz des Ambon und der Altäre. Vor allem
aber ist die Kuppel des Dogenpalastes durch eine sehr kunstvolle Konstruktion
unterstützt und verstärkt, so daß im schlimmsten Falle eine Bombe hier
durchschlagen kann, ohne doch das Gewölbe zu zerstören. Aus dem Dogen-
palast sind sämtliche Leinwandgemälde aus den an Decken und Wänden
festsitzenden Rahmen herausgenommen worden, ebenso aus der Scuola di
San Rocco die Tintorettos, die Carpaccios aus San Giorgio degli Sehiavoni
usw., nach Berechnung italienischer Zeitungen allein aus dem Dogenpalast
5700 qm Leinwand. Diese Fürsorge ist auch von den Privaten aufgenommen
worden. Im Palazzo Labia ist ein eigenes Gerüst zum Schutze der Wand
aufgerichtet, die die Fresken Tiepolos trägt. Aber diese Fürsorge geht sehr
viel weiter, sie erstreckt sich nicht nur auf einige wenige Hauptmonumente.
Die Loggietta Sansovinos vor dem Campanile, die nach dessen Zusammen-
sinken aus den Trümmern neu erstanden war, ist vollständig unter einem
Gerüst von Bohlen und Sandsäcken verschwunden, ebenso die Front von
Santa Maria dei Miracoli. Aus der Frarikirche sind alle kostbaren Gemälde
fortgeschafft, ebenso alle transportablen Skulpturen, und die großen Denk-
mäler sind ausgefüttert, mit Balken und Sandsäcken unterstützt und in
Leinwand eingekleidet. Die Löwen des Arsenals sind in Sandhaufen ver-
schwunden, der Colleoni hat einen Um- und Überbau aus Bohlen und Sand-
säcken erhalten. Diese Schutzarbeiten gehen weit hinunter bis nach
 
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