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Kriegstagung für Denkmalpflege [Hrsg.]
Stenographischer Bericht — Berlin, 1915

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Sonnabend, den 28. August
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https://doi.org/10.11588/diglit.29910#0041
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Inhalt abgeführt ist ? Die Sammlung enthielt nicht nur die üblichen envois
de l’etat, sondern auch sehr gute Niederländer und Italiener, in dem Kreuz-
gang die archäologische Sammlung, dazu ein ganz besonders reiches Material
zur Geschichte von Arras und vom Artois. Und in demselben Gebäude
war das naturwissenschaftliche Museum, war endlich die Bibliothek mit
ihren kostbaren Manuskripten untergebracht. Das Petit Palais in Paris
birgt jetzt eine Reihe abtransportierter Werke aus Furnes, aus Ypern und
aus jener verwüsteten Region an der Yser, zusammen mit den Tapisserien
aus der Kathedrale und dem Erzbischöflichen Palais in Reims. Aber wie
dürftig ist nach dem offiziellen Bericht das, was hier, spät genug, abtrans-
portiert ist. Um wie viel sorgsamer, konsequenter und bewußter ist hier
die Fürsorge für die großen malerischen Denkmäler der flämischen Kunst
in Belgien gewesen. Wir dürfen der weisen Umsicht der Commission
Royale des Monuments et des Sites und der entschlossenen und zähen
Energie des Direktors des Antwerpener Museums, des auch von uns so
geschätzten Pol de Mont, alle Anerkennung schenken. Mit unendlicher
Mühe, unter schwierigen technischen Konstruktionen sind die gewaltigen
Bilder des Rubens von ihren Plätzen in der Kathedrale und in den anderen
Hauptkirchen Antwerpens geholt und nach dem Museum transportiert
worden, und dort sind auch vereinigt die Hauptstücke von Rirbens und
van Dyck, die in der weiteren Umgebung der Provinz Antwerpen und
Nordbrabants sich gefährdet befanden. Aus Mecheln, Lier, Alst und Aerschot
sind die Bilder sorgfältig abgeholt und hier geborgen worden. Das Museum
hat bei seinem Neubau in den achtziger Jahren durch Winders und van
Dyck riesige gewölbte und durchaus bombensichere Keller erhalten, die,
mit Aufzügen versehen, den ganzen Bilderbestand des Museums aufzu-
nehmen und daneben eben auch noch den sonstigen gefährdeten Kunst-
schätzen der Nachbarschaft Schutz zu geben bestimmt waren. Solche
bombensicheren Keller dürften nun heute angesichts dieser neuen Bedin-
gungen und Gefahren des Krieges zu den selbstverständlichen Bestandteilen
eines Planes bei der Anlage eines neuen Museums gehören. In Ermangelung
solcher Museumskeller sind in Colmar die erlesensten Kunstwerke des
Museums (wie auch der Sammlung Spetz aus Isenheim), vor allem der Altar
des Matthias Grünewald und die sonstigen wertvollen Gemälde, in einen
gewölbten Raum eines anderen öffentlichen Gebäudes in Colmar gewandert,
das ich nicht bezeichnen möchte. Die wertvollsten Gegenstände der Museen
und Sammlungen Straßburgs befinden sich schon seit Beginn des Krieges
in der Krypta des Münsters. Aber ist der Grünewaldaltar denn an seiner
jetzigen Stätte wirklich ganz geschützt, nicht nur geschützt geegn Bomben
und Brand, auch bei weiteren militärischen Operationen — mit denen wir
nicht rechnen, auf die sich aber die Denkmalpflege genau so einrichten
sollte, wie die Oberste Heeresleitung ihre Sicherheitskoeffizienten hat? Es
kommt nicht nur auf das Bergen und Verbergen an. Solche großen Holz-
tafeln verlangen bei der Versetzung in Räume mit wechselndem Trockenheits-
und Feuchtigkeitsgehalt sorgsame Pflege. Die österreichische Regierung
hat den bekannten Scorelschen Altar aus Obervellach, der dort gefährdet
schien, provisorisch nach Wien verbringen lassen und auch sonst aus dem
Küsten- und Alpengebiet mit großer Umsicht gefährdete Kunstschätze in
Sicherheit gebracht.

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