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englischen Berichte haben einwandfrei festgestellt, daß der Brand des
Daches dadurch verursacht worden ist, daß das große hölzerne Restaurations-
gerüst an dem Nordwestturm Feuer gefangen hat, das die Franzosen un-
begreiflicherweise belassen hatten. Das ist ganz unabhängig von jenem
einen auf den Turm gerichteten Mörserschuß geschehen — es ist ein Unglück,
das wir ebenso beklagen wie die Franzosen. Das Dach der Kathedrale von
Soissons, das von verschiedenen Granaten getroffen ist, steht heute noch.
Nein, es waren weder vor der Beschießung Sicherungsmaßregeln getroffen,
noch ist bei dem Brand selbst die einfachste Fürsorge für die Skulpturen
eingetreten. Der „Cri de Paris“ hat die städtische Behörde von Reims
wegen ihrer Unterlassungssünden mit Recht auf das heftigste angegriffen
und- befehdet. Und Peladan, der fanatische Kunstapostel, hat in seinem
Artikel „L’art et la guerre“ der Verwaltung vor allem den Vorwurf gemacht,
daß sie es unterlassen habe, die Portale, die Reliefs durch Verschalen, durch
Abschließen, durch Umbauten und Sandsackpackungen zu schützen. Er ruft
aus: „Man stelle sich vor, daß die Skulpturen der Innenseite in Gips ein-
gebettet gewesen wären, selbst ohne Packungen — sie würden unverletzt
geblieben sein. Die Franzosen hatten Reims seit dem 12. wieder in Händen
und das Bombardement fing erst am 17. September an (der verhängnisvolle
Tag vor dem 19.), und es war Zeit genug, diese ganze innere Fassade zu
schützen und noch genug andere Teile.“ Nachträglich in diesem Frühjahr,
aber eben viel zu spät, ist ein solcher Schutz der Kathedrale durch Bohlen-
umbauten und durch Sandsackpackungen bewerkstelligt worden. Bei der
Kathedrale von Amiens hat man umgekehrt aus der berechtigten Furcht
vor einem Vorrücken der deutschen Front und vor Angriffen von Fliegern
auf die Stadt die Figuren der Portale an der Westfront und auch die der
Südfront mit der wundervollen Vierge doree rechtzeitig nach der ersten
Überraschung in einer solchen Weise gesichert. Ist damit nicht zugleich
zugegeben, daß in Reims alles dies versäumt ward?
Die moderne Kriegführung hat für die Denkmalpflege im Kriege ganz
neue Probleme geschaffen, weil sie ganz neue Gefahren gebracht hat: nicht
nur die weittragenden Geschosse, die aus großer Ferne schießen, aus der
jede Erkennung eines Zeichens unmöglich ist, bei der der Streukegel der
Treffer ein ziemlich beträchtlicher ist, sondern vor allem Fliegerbomben
und Luftschiffgeschosse. Der ja erst in den Anfängen befindliche Luftkrieg
bringt hier ganz neue Bedingungen. Sehr spät erst scheinen die Franzosen
den Zwang dieser Tatsachen begriffen zu haben. Nach einer ersten und
kopflosen Räumung des Louvre von seinen erlesensten Schätzen, nach
einer überstürzten Reise der Bilder in die Provinz — so überstürzt, wie
die Flucht der französischen Regierung nach Bordeaux war —, bei der nun
auch die Mona Lisa wirklich auf Reisen gegangen ist, nicht nur in die
Wäschekommode des Signore Peruggia, ist eine Zeit der Sorglosigkeit ein-
getreten. Man sehe die Aufnahmen aus den Museen zu Reims und zu Arras.
In Arras war noch am 15. Mai, während die Stadt nun schon fast acht Monate
beschossen ward, das Museum nicht geräumt. Mit einer ganz unverständ-
lichen Gleichgültigkeit hatte man die Schätze an den Wänden gelassen,
ruhig dem Einfall der Granaten durch die Decke zugesehen. Der Museums-
bau ist durch die letzte Beschießung ganz zerstört. Ob hier nun endlich
und noch zur rechten Zeit — wozu doch so lange Zeit gelassen war — der
englischen Berichte haben einwandfrei festgestellt, daß der Brand des
Daches dadurch verursacht worden ist, daß das große hölzerne Restaurations-
gerüst an dem Nordwestturm Feuer gefangen hat, das die Franzosen un-
begreiflicherweise belassen hatten. Das ist ganz unabhängig von jenem
einen auf den Turm gerichteten Mörserschuß geschehen — es ist ein Unglück,
das wir ebenso beklagen wie die Franzosen. Das Dach der Kathedrale von
Soissons, das von verschiedenen Granaten getroffen ist, steht heute noch.
Nein, es waren weder vor der Beschießung Sicherungsmaßregeln getroffen,
noch ist bei dem Brand selbst die einfachste Fürsorge für die Skulpturen
eingetreten. Der „Cri de Paris“ hat die städtische Behörde von Reims
wegen ihrer Unterlassungssünden mit Recht auf das heftigste angegriffen
und- befehdet. Und Peladan, der fanatische Kunstapostel, hat in seinem
Artikel „L’art et la guerre“ der Verwaltung vor allem den Vorwurf gemacht,
daß sie es unterlassen habe, die Portale, die Reliefs durch Verschalen, durch
Abschließen, durch Umbauten und Sandsackpackungen zu schützen. Er ruft
aus: „Man stelle sich vor, daß die Skulpturen der Innenseite in Gips ein-
gebettet gewesen wären, selbst ohne Packungen — sie würden unverletzt
geblieben sein. Die Franzosen hatten Reims seit dem 12. wieder in Händen
und das Bombardement fing erst am 17. September an (der verhängnisvolle
Tag vor dem 19.), und es war Zeit genug, diese ganze innere Fassade zu
schützen und noch genug andere Teile.“ Nachträglich in diesem Frühjahr,
aber eben viel zu spät, ist ein solcher Schutz der Kathedrale durch Bohlen-
umbauten und durch Sandsackpackungen bewerkstelligt worden. Bei der
Kathedrale von Amiens hat man umgekehrt aus der berechtigten Furcht
vor einem Vorrücken der deutschen Front und vor Angriffen von Fliegern
auf die Stadt die Figuren der Portale an der Westfront und auch die der
Südfront mit der wundervollen Vierge doree rechtzeitig nach der ersten
Überraschung in einer solchen Weise gesichert. Ist damit nicht zugleich
zugegeben, daß in Reims alles dies versäumt ward?
Die moderne Kriegführung hat für die Denkmalpflege im Kriege ganz
neue Probleme geschaffen, weil sie ganz neue Gefahren gebracht hat: nicht
nur die weittragenden Geschosse, die aus großer Ferne schießen, aus der
jede Erkennung eines Zeichens unmöglich ist, bei der der Streukegel der
Treffer ein ziemlich beträchtlicher ist, sondern vor allem Fliegerbomben
und Luftschiffgeschosse. Der ja erst in den Anfängen befindliche Luftkrieg
bringt hier ganz neue Bedingungen. Sehr spät erst scheinen die Franzosen
den Zwang dieser Tatsachen begriffen zu haben. Nach einer ersten und
kopflosen Räumung des Louvre von seinen erlesensten Schätzen, nach
einer überstürzten Reise der Bilder in die Provinz — so überstürzt, wie
die Flucht der französischen Regierung nach Bordeaux war —, bei der nun
auch die Mona Lisa wirklich auf Reisen gegangen ist, nicht nur in die
Wäschekommode des Signore Peruggia, ist eine Zeit der Sorglosigkeit ein-
getreten. Man sehe die Aufnahmen aus den Museen zu Reims und zu Arras.
In Arras war noch am 15. Mai, während die Stadt nun schon fast acht Monate
beschossen ward, das Museum nicht geräumt. Mit einer ganz unverständ-
lichen Gleichgültigkeit hatte man die Schätze an den Wänden gelassen,
ruhig dem Einfall der Granaten durch die Decke zugesehen. Der Museums-
bau ist durch die letzte Beschießung ganz zerstört. Ob hier nun endlich
und noch zur rechten Zeit — wozu doch so lange Zeit gelassen war — der